BGH Beschluss v. - 1 StR 400/22

(Betrügerische Bestellungen von Online-Tickets: Voraussetzungen einer Tateinheit)

Gesetze: § 52 StGB, § 263a Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 2 KLs 600 Js 20759/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Computerbetruges in 6.467 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 248.926,15 Euro angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den von dem Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte im Zeitraum vom bis Online-Tickets der Deutschen Bahn unter Angabe falscher Personalien und unter Einsatz von zuvor widerrechtlich im Internet beschafften fremden Kreditkartendaten. Hierzu erstellte der Angeklagte unter Verwendung von Pseudonymen verschiedene – soweit hier relevant: zehn – E-Mailadressen, über die er die Bestellungen abwickelte. Sodann bestellte er in dem genannten Zeitraum an diversen Tagen 6.467 Online-Tickets über die von der Deutschen Bahn angebotene Smartphone-App „DB Navigator“ im Gesamtwert von 248.926,15 Euro. Bei dem Bestellprozess waren unter anderem eine E-Mailadresse und die Zahlungsmodalitäten zu hinterlegen. Als Zahlungsmittel bei den Online-Buchungen gab der Angeklagte jeweils die rechtswidrig erlangten Kreditkartendaten dritter Personen an; er verwendete die von ihm erstellten E-Mailadressen. Nach Abschluss der jeweiligen Bestellvorgänge wurden die Tickets auf elektronischem Wege zugänglich gemacht; anschließend konnte er frei über sie verfügen.

32. Die rechtliche Würdigung dieser Taten als Computerbetrug (§ 263a Abs. 1 StGB) ist für sich genommen rechtsfehlerfrei. Soweit die Urteilsgründe – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – sich nicht auch zu dem Straftatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB; vgl. Rn. 3 mwN) verhalten, beschwert dies den Angeklagten nicht.

43. Jedoch hält die konkurrenzrechtliche Bewertung der insgesamt 6.467 Fahrkartenbuchungen als jeweils gesonderte, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5a) Das Landgericht hat zum einen den zeitlichen Zusammenhang von mehreren an demselben Tag vorgenommenen Bestellungen nicht berücksichtigt. Mehrere Buchungen an einem Tag können Teil einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit sein, sofern sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden (vgl. Rn. 17 mwN).

6b) Zum anderen hat die Strafkammer nicht bedacht, dass – ungeachtet des zeitlichen Abstands der Buchungen voneinander – bei der mehrfachen Nutzung eines Kundenkontos mit den dort gespeicherten unrichtigen beweiserheblichen Daten die über dieses Konto getätigten betrügerischen Bestellungen zur Tateinheit verbunden werden (vgl. Rn. 4 mwN). Ausweislich der von dem Landgericht als „überzeugend, konsistent und zwanglos nachvollziehbar“ bewerteten Angaben des Ermittlungsbeamten PHM A.        erfolgten die Buchungen „grundsätzlich über einen DB-Navigator“, wozu ein Benutzerkonto anzulegen und für dieses wiederum eine E-Mailadresse notwendig gewesen sei (UA S. 13). Jedenfalls eine der hier gegenständlichen E-Mailadressen, über welche 336 Fahrkartenbestellungen abgewickelt wurden, konnte dem Angeklagten „über seine Angaben beim DB Kundenkonto“ zugeordnet werden (UA S. 17). Vor diesem Hintergrund hätte sich das Landgericht mit der naheliegenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte das betreffende Kundenkonto mehrfach nutzte sowie – angesichts der Vielzahl erstellter E-Mailadressen – möglicherweise weitere Kundenkonten zur gleichfalls wiederholten Verwendung eingerichtet hatte. Das Fehlen entsprechender Ausführungen zur Zuordnung der einzelnen Fahrkartenbestellungen zu Kundenkonten in den Urteilsgründen stellt hier im Hinblick auf die Frage des Konkurrenzverhältnisses der Taten zueinander einen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Da die von dem Landgericht getroffenen Feststellungen die für die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Taten erforderlichen Angaben nicht enthalten, kommt eine Schuldspruchänderung durch den Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nicht in Betracht (vgl. Rn. 4).

7c) Einer Verschärfung des Schuldspruchs im Hinblick auf den bisher nicht in den Blick genommenen Straftatbestand des § 269 StGB (vgl. vorstehend unter 2) steht im 2. Rechtsgang das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht entgegen (vgl. etwa Rn. 60 mwN).

84. Die Aufhebung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Insoweit wird das neue Tatgericht zu beachten haben, dass in Fällen, in denen wegen einer Konkurrenzkorrektur neue Einzelstrafen festzusetzen und mehrere vom ersten Tatgericht als rechtlich selbständig erachtete Taten zur Tateinheit zu verbinden sind, das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO (nur) gebietet, dass die neu festzusetzende Einzelstrafe die Summe der bisherigen Einzelstrafen nicht überschreitet; auch die neue Gesamtstrafe darf nicht höher ausfallen als bisher. Hingegen steht es der Verhängung einer höheren Einzelstrafe für die nunmehr tateinheitlich bewertete Tat als solches nicht entgegen (vgl. Rn. 15 mwN).

95. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht zugleich der Einziehungsentscheidung die Grundlage.

106. Da die Gesetzesverletzung allein die Frage der Konkurrenzen betrifft, haben die Urteilsfeststellungen Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie sind von dem neuen Tatgericht um Feststellungen zur Frage der Nutzung eines oder mehrerer Kundenkonten zu (jeweils) mehrfachen betrügerischen Bestellungen zu ergänzen. Auch im Übrigen können weitere Feststellungen getroffen werden, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:120123B1STR400.22.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-34937