Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
IWB Nr. 11 vom Seite 446

Bedeutung des OECD-Musterkommentars für die Auslegung von DBA

Prof. Dr. Carsten Pohl

[i]BMF, Schreiben v. 19.4.2023 - IV B 2 - S 1301/22/10002 :004, NWB JAAAJ-38106 Bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geht es – wie bei der Auslegung von anderen Rechtsnormen auch – um die Ermittlung des Sinngehalts von Rechtssätzen. Die Auslegung von DBA zeichnet sich jedoch durch gewisse Besonderheiten aus, die insbesondere der Natur der Abkommen als völkerrechtliche Verträge geschuldet sind. Problematisiert wird in diesem Kontext seit vielen Jahren die Frage, ob der OECD-Musterkommentar die Auslegung einzelner DBA dynamisch beeinflussen kann. Der BFH hat diese Frage bislang verneint. Im begründet die Finanzverwaltung nunmehr ihren gegenteiligen Standpunkt.

Kernaussagen
  • Die Finanzverwaltung spricht sich im für eine Bedeutung des OECD-Musterkommentars (OECD-MK) bei der Auslegung eines DBA aus. Gestützt wird diese Sichtweise auf Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WÜRV.

  • Relevant soll der OECD-MK in seiner jeweils zum Anwendungszeitpunkt gültigen Fassung sein (sog. dynamische Auslegung). Hieraus ergibt sich, dass bei der Auslegung von Abkommen keine Festlegung („Einfrieren“) auf den Zeitpunkt des ersten Abschlusses erfolgt. Bedeutung hat dies für nachträgliche Ergänzungen und Präzisierungen der Kommentierung, ist hierauf aber nicht beschränkt („insbesondere“).

  • Nach dem BMF-Schreiben ist ?die Indizwirkung des OECD-Kommentars für die innerstaatliche Anwendung zumindest dann widerlegt, wenn sich ein anderes Abkommensverständnis aus einem BMF-Schreiben oder einer anderen Verwaltungsanweisung ergibt.“