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FG Baden-Württemberg Urteil v. - 5 K 1440/21

Gesetze: GrEStG 2012 § 1 Abs. 3 Nr. 1, GrEStG § 1 Abs. 3a, GrEStG § 23 Abs. 11, FGO § 52 Abs. 2, FGO § 91a Abs. 1 S. 1, FGO § 91a Abs. 1 S. 2, BGB § 242, GG Art. 3 Abs. 1, GG Art. 108 Abs. 7

Voraussetzungen einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz im Fall des Ausschlusses der Öffentlichkeit

Grunderwerbsteuer infolge mittelbarer Anteilsvereinigung bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft im Jahr 2012

Leitsatz

1. Ist aufgrund eines Beteiligten die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden und nimmt ein Beteiligter (hier: Vertreter des Finanzamts) an der mündlichen Verhandlung gemäß § 91a FGO per Videokonferenz teil, darf das Gericht grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich die Beteiligten an die Anordnung zum Ausschluss der Öffentlichkeit halten. Lediglich wenn der Senat begründete Zweifel daran haben muss, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit sichergestellt ist, ist eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz unter Ausschluss der Öffentlichkeit nicht zulässig.

2. Der Senat ist jederzeit in der Lage, die mündliche Verhandlung zu vertagen und in Präsenz fortzusetzen, sollte er konkrete Anzeichen dafür sehen, dass sich der per Videokonferenz zugeschaltete Beteiligte nicht an die Weisungen des Vorsitzenden hält.

3. Bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar an einer grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, ist als Anteil im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG (hier: in der im Streitjahr 2012 gültigen Fassung) – wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft – die Beteiligung am Gesellschaftskapital und nicht die sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen maßgebend.

4. Die Beteiligung am Gesellschaftskapital der Personengesellschaft vermittelt, soweit sie mindestens 95 % beträgt, die rechtliche Möglichkeit für den beteiligten Gesellschafter, den Willen in der Personengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen. Diese Möglichkeit hat der Gesellschafter auch in Bezug auf nachgeordnete Gesellschaften, an denen die Personengesellschaft wiederum zu mindestens 95 % beteiligt ist. Die Beteiligung an diesen Gesellschaften ist unmittelbar der Personengesellschaft und mittelbar deren Gesellschafter zuzurechnen. Für die Zurechnung zum qualifiziert beteiligten Gesellschafter ist es unerheblich, dass an der zwischengeschalteten Personengesellschaft weitere Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von weniger als 5 % oder – wie im Streitfall – kapitalmäßig überhaupt nicht beteiligt sind.

5. Die Einführung von § 1 Abs. 3a GrEStG, der auf Erwerbsvorgänge nach dem anzuwenden ist (§ 23 Abs. 11 GrEStG neue Fassung), rechtfertigt keine andere Beurteilung der Zurechnung von Anteilen an zwischengeschalteten Personengesellschaften für die Zeit davor. Die mit der Einführung des § 1 Abs. 3a GrEStG verbundene Intention des Gesetzgebers schließt es nicht aus, bereits für frühere Anteilserwerbe auch bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft – wie bei einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft – auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital abzustellen. Insoweit werden mittelbare Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG rechtsformneutral behandelt.

6. Für im Jahr 2012 erfolgte mittelbare Anteilsvereinigungen im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch zwischengeschaltete Personengesellschaften besteht kein Anspruch darauf, dass das Finanzamt aus Vertrauensschutzgesichtspunkten von einer Grunderwerbsteuerfestsetzung absieht.

Fundstelle(n):
CAAAJ-42653

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