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NWB-BB Nr. 8 vom Seite 232

Betriebswirtschaftliche Beratung: Eigenes Angebot oder Berufsausübungsgesellschaft?

Berufsrechtsreform bietet interessante Chancen für Steuerberater

StB Dr. Christian Sielaff

Auch der Kanzleialltag in der Steuerberatung unterliegt einem ständigen Wandel. Insbesondere die fortschreitende Digitalisierung sowie die Automatisierung von Standardprozessen wird in der Zukunft zum Wegfall von Routineaufgaben führen. Auch wenn es an Arbeit in Kanzleien aktuell nicht mangelt – sei es durch die zahlreichen Aufgaben, die durch die Corona-Pandemie hinzugekommen sind (Beantragung von Überbrückungshilfen, Kurzarbeitergeld etc.) oder durch Reformen wie die jüngste Grundsteuerneubewertung – stellt sich doch regelmäßig die Frage nach neuen Betätigungs- bzw. Honorarfeldern. Hier bietet insbesondere das Geschäftsfeld der betriebswirtschaftlichen Beratung interessante Möglichkeiten für Steuerberater, das Aufgabenspektrum der eigenen Kanzlei zu erweitern und so neue Mandanten zu gewinnen bzw. die bestehenden durch eine Erweiterung der Angebotspallette langfristig zu binden (vgl. Fischl/Achatz, NWB-BB 10/2018 S. 309, NWB OAAAG-94998). Dies kann sowohl durch Ausweitung des eigenen Angebots geschehen als auch durch Zusammenschlüsse mit beratenden Betriebswirten. Diese Zusammenschlüsse sind durch die jüngste Berufsrechtsreform deutlich interessanter geworden.

Kernaussagen
  • Die betriebswirtschaftliche Beratung stellt eine sinnvolle Möglichkeit zur Erweiterung des Angebot-Portfolios des Steuerberaters dar.

  • Ein gemeinsames Angebot von Steuerberatung und betriebswirtschaftlicher Beratung bietet zahlreiche Vorteile für den Berater selbst, als auch für die Mandantschaft.

  • Durch die Neuordnung des Berufsrechts ergeben sich interessante Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Berufsträgern und beratenden Betriebswirten.

  • Bei einem Zusammenschluss im Rahmen einer Berufsausübungsgesellschaft mit einem beratenden Betriebswirt gibt es einige Besonderheiten, die der Steuerberater im Vorfeld kennen und beachten sollte.

I. Die betriebswirtschaftliche Beratung

1. Grundlagen und Begriff

Auch wenn nahezu alle Steuerberater mindestens in einem bestimmten Ausmaß auch aktuell schon betriebswirtschaftliche Beratung neben den originären steuerberatenden Tätigkeiten (§ 33 StBerG) anbieten, soll zu Beginn geklärt werden, was unter dem Begriff der betriebswirtschaftlichen Beratung und eines „betriebswirtschaftlichen Beraters“ zu verstehen ist. Denn zur betriebswirtschaftlichen Beratung gehört in einer umfassenden Sichtweise eine große Auswahl an Methoden und Instrumenten, die die Angebotspalette des Steuerberaters erweitern können.

An einer gesetzlichen Definition zum Begriff des „betriebswirtschaftlichen Beraters“ fehlt es. Die Rechtsprechung definiert (im Zusammenhang mit der Frage nach Einkünften aus selbständiger Tätigkeit gem. § 18 EStG) den Beruf des beratenden Betriebswirts durch den Einsatz seines fachlich breiten Wissens im Bereich der Betriebswirtschaft nach einem entsprechenden Studium und dazugehöriger praktischer Erfahrung (vgl. , NWB VAAAC-88000). Durch die Rechtsprechung ist damit zwar eine grobe Richtung und Voraussetzung der Tätigkeit vorgegeben, allerdings kein konkretes Angebot beschrieben.

In § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG wie auch in § 1 Abs. 2 PartGG werden der „beratende Betriebswirt“ zwar als freiberufliche Tätigkeit genannt, aber nicht definiert.

Das Steuerberatungsgesetz erlaubt in § 57 Abs. 3 StBerG explizit die wirtschaftsberatende Tätigkeit von Steuerberatern, indem es diese Tätigkeit als mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar anführt.

2. Inhalte und Möglichkeiten zur Ausweitung des Angebots

Für den Steuerberater, der sein Tätigkeitsfeld sinnvoll erweitern will, stellt die betriebswirtschaftliche Beratung eine naheliegende Ergänzung zu seiner originären steuerberatenden Tätigkeit dar. Die Grenze erscheint dabei oftmals fließend. S. 233Die unterjährige Buchhaltung sowie die jährliche Erstellung einer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine damit verbundene, meist kurze, betriebswirtschaftliche Erklärung, stellt noch keine umfassende betriebswirtschaftliche Beratung dar. So wird der Steuerberater zwar durch die Ausübung von Bilanzierungs- oder Bewertungswahlrechten kurzfristig die betriebswirtschaftliche Aussagekraft des Abschlusses beeinflussen können, betriebswirtschaftliche Beratung verfolgt dagegen einen langfristigen, auf die Zukunft und Entwicklung des Unternehmens am Markt und im Wettbewerb gerichteten Ansatz.

Dementsprechend stehen dort die Ursachen der sich später in den Zahlen widerspiegelnden Umstände im Mittelpunkt der Betrachtung. Betriebswirtschaftliche Beratung setzt auf der langfristigen Analyse des Unternehmens als Ganzes an und hat das Ziel, eingreifende Maßnahmen abzuleiten, bevor sich betriebswirtschaftliche „Probleme“ in der Bilanz wiederfinden und ggf. nur noch durch Bilanzpolitik kurzfristig kaschiert werden können.

Die laufende Buchhaltung dient dabei nicht nur dem Zweck, richtige Steuervoranmeldungen oder Abschlüsse zu erstellen, sondern wird zur Analyse der tatsächlichen Geschäftsentwicklung und daran anknüpfend zur Ableitung von Steuerungsmaßnahmen verwendet.

Möglichkeiten dazu sind beispielsweise das Angebot eines umfassenden betrieblichen Controllings durch

  • die Entwicklung eines auf das Unternehmen abgestimmten Kennzahlensystems mit regelmäßigen Auswertungen,

  • die Implementierung einer laufenden (IT-gestützten) Kostenanalyse oder

  • die Ableitung geeigneter Deckungsbeitragsrechnungen.

Zielgrößen können dabei der Umsatz, die Kostenstruktur, aber auch Liquiditätskennzahlen zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit sowie die Kundenanzahl o. Ä. sein.

Literatur-Tipp

Schöner, Praxisfall: Aufbau eines Controlling-Systems in kleinen Unternehmen – Mit relativ einfachen Maßnahmen große Wirkung erzielen, NWB-BB 9/2016 S. 274, NWB NAAAF-80160

Aber auch darüber hinaus ist betriebswirtschaftliche Beratung in vielfältiger Weise möglich und reicht von Sanierungsplänen über Unternehmensbewertungen bis zu Wettbewerbsanalysen und Organisations-, Digitalisierungs- und Prozessberatungen. Hier sollte sich der Steuerberater im Vorfeld überlegen, welche Leistungen er im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Beratung anbieten kann und möchte. Ggf. sollte bei fehlendem Know-how auch über eine Kooperation bzw. einen Zusammenschluss nachgedacht werden, worauf im Weiteren noch eingegangen wird.

Literatur-Tipps
  • Fischl/Ernst/Achatz, Digitalisierung: So können Sie Ihre Mandanten bestmöglich unterstützen – Leitfaden für eine Digitalisierung mit Augenmaß, NWB-BB 3/2022 S. 81, NWB MAAAI-04295

  • Erichsen, So führen Sie betriebswirtschaftliche Beratung in eine Steuerberatungskanzlei ein, Grundlagen-Beitrag, NWB RAAAH-09311

  • Sander, Kooperationen zwischen Beratern – Erfolgsfaktoren für ein „Drei-Gewinner-Modell“, NWB-BB 8/2011 S. 235, NWB NAAAD-87353