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BBK Nr. 2 vom Seite 76

Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen

Teil 3: Analyse der Finanzlage

Prof. Dr. Mathias Graumann

Im Rahmen der Jahresabschlussanalyse wird die Vermögens-, Finanz- und Erfolgslage eines Unternehmens untersucht. Gerade in der aktuellen Zeit ist es wichtig, rechtzeitig Anzeichen für mögliche Krisen zu identifizieren, um zielgerichtet gegensteuern zu können. Hierbei wird in der Praxis wesentlich auf Kennzahlen abgestellt. Im Teil 3 dieser Beitragsreihe geht es um die Analyse der Finanzlage. Die Finanzlage umfasst die Gesamtheit aller Aspekte, die sich auf die Finanzierung eines Unternehmens beziehen, wie etwa Finanzierungsstruktur, Deckungsverhältnisse, Befristungen des Kapitals, Finanzierungsspielräume, Investitionsvorhaben, schwebende Bestellungen und Kreditlinien. Ihre Beurteilung beinhaltet die Herkunft und Verwendung der im Unternehmen eingesetzten finanziellen Mittel sowie die Fähigkeit, finanziellen Verpflichtungen in Zukunft nachkommen zu können.

Die weiteren Beiträge aus der Beitragsreihe finden Sie hier:

Teil 1: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 1: Kennzahlen, Diskriminanzanalyse und Künstliche Intelligenz: NWB CAAAJ-55208,

Teil 2: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 2: Analyse der Vermögenslage: NWB AAAAJ-55881,

Teil 4: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 4: Analyse der Erfolgslage: NWB DAAAJ-57931,

Teil 5: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 5: Cashflow und Cashflow-Kennzahlen NWB MAAAJ-59065 und

Teil 6: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 6: Bewegungsbilanz und Kapitalflussrechnung: NWB IAAAJ-60150.

I. Ausgangsdaten

[i]FallbeispielDer Beitrag beruft sich an verschiedenen Stellen zur Verdeutlichung einzelner Aspekte auf ein Fallbeispiel. Grundlage des durchgängigen Fallbeispiels ist folgender verdichteter Jahresabschluss nach Maßgabe der §§ 264 ff. HGB. Für die Kennzahlenanalyse können die üblichen, durchschnittlichen Relationen des verarbeitenden Gewerbes zugrunde gelegt werden. S. 77

Bilanz:

GuV:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Position (Mio. €)
20t2
20t1
Umsatzerlöse
704,0
800,0
+
Erhöhung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen
16,0
0,0
=
Gesamtleistung
720,0
800,0
./.
Materialaufwand
322,0
352,0
./.
Personalaufwand
198,0
208,0
./.
Abschreibungen
46,0
44,0
./.
Sonstige betriebliche Aufwendungen
151,0
166,0
=
Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit (EBIT)
3,0
30,0
./.
Zinsaufwendungen
13,0
9,0
=
Ergebnis vor Steuern (EBT)
./. 10,0
21,0
./.
Steuern vom Einkommen und Ertrag
0,0
7,0
=
Ergebnis nach Steuern
./. 10,0
14,0

Abb. 1: Jahresabschluss des Fallbeispiels als Ausgangspunkt

Die [i]Weitere analyserelevante Angaben des FallbeispielsDaten des Anlagespiegels (§ 284 Abs. 3 HGB) sind für die Analyse der Finanzlage irrelevant. Dem Anhang sind folgende weitere analyserelevante Angaben zu entnehmen:

  • Die Sachanlagen sollen zur Gänze als abnutzbar betrachtet werden.S. 78

  • Die Vorräte entfallen zu einem Drittel auf Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und zu zwei Dritteln auf Halb- und Fertigfabrikate.

  • Der Zugang an Halb- und Fertigfabrikaten i. H. von 2/3 x 24 = 16 Mio. € in 20t2 bildet die Lagerbestandserhöhung in der GuV des Jahres 20t2 ab. Für das Jahr 20t1 soll von Lagerbestandsänderungen abgesehen werden.

  • Die Pensionsrückstellungen sind zur Gänze dem langfristigen und die sonstigen Rückstellungen sind zur Gänze dem kurzfristigen Fremdkapital zuzuordnen.

  • Von den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sind kurzfristig 114,0 Mio. € (Vorjahr: 84,0 Mio. €).

  • Von Abgrenzungsposten (RAP, latente Steuern) wird abgesehen.

  • Die Bilanz wurde nach Gewinnverwendungsbeschluss aufgestellt. D. h., das in der GuV ausgewiesene Ergebnis nach Steuern wurde in Höhe der in der Bilanz ausgewiesenen Bestandsdifferenz der Gewinnrücklagen in diese eingestellt und in Höhe des verbleibenden Betrags an die Anteilseigner ausgeschüttet.

  • Der Steuersatz vom Einkommen und Ertrag wird mit 33 % angenommen.

  • Es wurden jahresdurchschnittlich in 20t2 3.620 und in 20t1 3.996 Mitarbeiter in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) beschäftigt.

  • Für das Vorjahr 20t1 soll angenommen werden, dass sich die langfristigen Rückstellungen gegenüber 20t0 um 1,0 Mio. € erhöht haben. Weiter soll für das Vorjahr 20t1 angenommen werden, dass sich das working capital gegenüber 20t0 um 2,0 Mio. € erhöht hat.

[i]Strukturbilanz des FallbeispielsDie Umgruppierung der Passivseite nach der Fristigkeit ergibt folgende Strukturbilanz:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aktiva (Mio. €)
Passiva (Mio. €)
Position
20t2
20t1
Position
20t2
20t1
Anlagevermögen
232,0
250,0
Eigenkapital
120,0
130,0
Umlaufvermögen
278,0
250,0
Langfristiges Fremdkapital
118,0
118,0
(davon Finanzumlaufvermögen)
(164,0)
(160,0)
Kurzfristiges Fremdkapital
272,0
252,0
Summe Aktiva
510,0
500,0
Summe Passiva
510,0
500,0

Abb. 2: Strukturbilanz des Fallbeispiels

S. 79

II. Analyseziele der Finanzlage

[i]Übersicht über die AnalysezieleDie Strukturbilanz wird in Bezug auf die Finanzlage wie folgt analysiert:

[i]Bedeutung der Elemente der Analyse der FinanzlageHierbei bedeuten im Einzelnen

  • vertikale Kapitalstruktur: Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital als Ausdruck der Haftungssubstanz des Kapitals,

  • horizontale Kapitalstruktur: Verhältnis von Passiva und Aktiva gleicher (in der Regel langfristiger) Bindungsdauer zur Bezifferung des Refinanzierungsrisikos, d. h. der Gefahr nicht oder nicht zu adäquaten Konditionen möglicher Anschlussfinanzierungen langfristiger Vermögensbindungen durch zu kurze Laufzeit der Schulden,

  • statische Liquidität: Verhältnis des Bestands kurzfristig verfügbarer Vermögensgegenstände zu kurzfristigen Schulden,

  • dynamische Liquidität: Verhältnis von periodischem Zahlungsmittelüberschuss und kurzfristigen Schulden.

[i]Finanzbezogene RisikenFinanzbezogene Risiken stellen überblickend insbesondere dar: