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BBK Nr. 4 vom Seite 179

Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen

Teil 5: Cashflow und Cashflow-Kennzahlen

Prof. Dr. Mathias Graumann

Die Jahresabschlussanalyse ist die Auswertung von Jahresabschlüssen mit dem Ziel, die Vermögens-, Finanz- und Erfolgslage von Unternehmen zu beurteilen. Mittels Strukturierung, Vergleich und Ermittlung von Kennzahlen werden die Zahlenwerke eines Jahresabschlusses auf zentrale Aussagen verdichtet. Hierbei ist es wichtig, rechtzeitig Anzeichen für mögliche Krisen zu erkennen, um zielgerichtet gegensteuern zu können. In der Praxis wird dabei im Wesentlichen auf Kennzahlen abgestellt. Im Teil 5 dieser Beitragsreihe geht es um den Cashflow und Cashflow-Kennzahlen.

Der Cashflow ist die Ergebnisgröße auf der Ebene des zahlungsstromorientierten Controllings. Damit wird seine Ausprägung von wesentlichen jahresabschlusspolitischen Maßnahmen nicht beeinflusst. Somit bietet der Cashflow eine verlässliche Abbildung der Risikobehaftung von Unternehmen. Zudem kann er gleichermaßen als Indikator der Erfolgs- und Finanzlage fungieren. Es werden sowohl die Ermittlung und Strukturierung des Cashflows als auch die Ableitung und Interpretation Cashflow-basierter Kennzahlen dargestellt.

Die weiteren Beiträge aus der Beitragsreihe finden Sie hier:

Teil 1: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 1: Kennzahlen, Diskriminanzanalyse und Künstliche Intelligenz: NWB CAAAJ-55208,

Teil 2: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 2: Analyse der Vermögenslage: NWB AAAAJ-55881,

Teil 3: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 3: Analyse der Finanzlage: NWB RAAAJ-56882,

Teil 4: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 4: Analyse der Erfolgslage: NWB DAAAJ-57931 und

Teil 6: Krisenfrüherkennung mittels Jahresabschlusskennzahlen – Teil 6: Bewegungsbilanz und Kapitalflussrechnung: NWB IAAAJ-60150.

I. Ausgangsdaten

[i]FallbeispielDer Beitrag beruft sich an verschiedenen Stellen zur Verdeutlichung einzelner Aspekte auf ein Fallbeispiel. Grundlage des durchgängigen Fallbeispiels ist folgender verdichteter Jahresabschluss nach Maßgabe der §§ 264 ff. HGB. Für die Kennzahlenanalyse können die üblichen, durchschnittlichen Relationen des verarbeitenden Gewerbes zugrunde gelegt werden. S. 180

Bilanz:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aktiva (Mio. €)
Passiva (Mio. €)
Position
20t2
20t1
Position
20t2
20t1
A.
I.

II.
III.

B.

I.
II.

III.

IV.
Anlagevermögen
Immaterielle Vermögensgegenstände
Sachanlagen
Finanzanlagen

Umlaufvermögen
Vorräte
Forderungen aus LuL (alle kurzfristig)
Sonstige Vermögensgegenstände
Liquide Mittel
232,0

38,0
178,0
16,0

278,0
114,0

122,0

23,0
19,0
250,0

42,0
188,0
20,0

250,0
90,0

103,0

34,0
23,0
A.
I.
II.
III.

B.
1.
2.

C.

1.


2.

3.
Eigenkapital
Gezeichnetes Kapital
Kapitalrücklage
Gewinnrücklagen

Rückstellungen

Pensionsrückstellungen
Sonstige Rückstellungen

Verbindlichkeiten

Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (davon kurzfristig)
Verbindlichkeiten aus LuL (alle kurzfristig)
Sonstige Verbindlichkeiten (alle kurzfristig)
120,0
52,0
24,0
44,0

54,0
18,0
36,0

336,0

214,0
(114,0)

74,0

48,0
130,0
52,0
24,0
54,0

58,0
18,0
40,0

312,0

184,0
(84,0)

86,0

42,0
Summe Aktiva
510,0
500,0
Summe Passiva
510,0
500,0

GuV:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Position (Mio. €)
20t2
20t1
Umsatzerlöse
704,0
800,0
+
Erhöhung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen
16,0
0,0
=
Gesamtleistung
720,0
800,0
./.
Materialaufwand
322,0
352,0
./.
Personalaufwand
198,0
208,0
./.
Abschreibungen
46,0
44,0
./.
Sonstige betriebliche Aufwendungen
151,0
166,0
=
Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit (EBIT)
3,0
30,0
./.
Zinsaufwendungen
13,0
9,0
=
Ergebnis vor Steuern (EBT)
./. 10,0
21,0
./.
Steuern vom Einkommen und Ertrag
0,0
7,0
=
Ergebnis nach Steuern
./. 10,0
14,0

Abb. 1: Jahresabschluss des Fallbeispiels als Ausgangspunkt

Die Daten des Anlagespiegels (§ 284 Abs. 3 HGB) sind für die Cashflow-Analyse irrelevant.

Dem Anhang sind folgende weitere analyserelevante Angaben zu entnehmen:

  • Die Sachanlagen sollen zur Gänze als abnutzbar betrachtet werden.

  • Die Vorräte entfallen zu einem Drittel auf Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und zu zwei Dritteln auf Halb- und Fertigfabrikate.

  • Der Zugang an Halb- und Fertigfabrikaten i. H. von 2/3  x 24 = 16 Mio. € in 20t2 bildet die Lagerbestandserhöhung in der GuV des Jahres 20t2 ab. Für das Jahr 20t1 soll von Lagerbestandsänderungen abgesehen werden.

  • Die Pensionsrückstellungen sind zur Gänze dem langfristigen und die sonstigen Rückstellungen sind zur Gänze dem kurzfristigen Fremdkapital zuzuordnen.S. 181

  • Von den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sind kurzfristig 114,0 Mio. € (Vorjahr: 84,0 Mio. €).

  • Von Abgrenzungsposten (RAP, latente Steuern) wird abgesehen.

  • Die Bilanz wurde nach Gewinnverwendungsbeschluss aufgestellt. D. h., das in der GuV ausgewiesene Ergebnis nach Steuern wurde in Höhe der in der Bilanz ausgewiesenen Bestandsdifferenz der Gewinnrücklagen in diese eingestellt und in Höhe des verbleibenden Betrags an die Anteilseigner ausgeschüttet.

  • Der Steuersatz vom Einkommen und Ertrag wird mit 33 % angenommen.

  • Der Cashflow nach DVFA/SG beziffert sich nach der üblichen Konvention als: Jahresergebnis nach Steuern + Abschreibungen + Nettozuführung zu langfristigen Rückstellungen (Restlaufzeit von mindestens einem Jahr).

  • Für das Vorjahr 20t1 soll angenommen werden, dass sich die langfristigen Rückstellungen gegenüber 20t0 um 1,0 Mio. € erhöht haben und dass sich das working capital gegenüber 20t0 um 2,0 Mio. € erhöht hat.

Die Umgruppierung der Passivseite nach der Fristigkeit ergibt folgende Strukturbilanz:


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Aktiva (Mio. €)
Passiva (Mio. €)
Position
20t2
20t1
Position
20t2
20t1
Anlagevermögen
232,0
250,0
Eigenkapital
120,0
130,0
Umlaufvermögen
278,0
250,0
Langfristiges Fremdkapital
118,0
118,0
(davon Finanzumlaufvermögen)
(164,0)
(160,0)
Kurzfristiges Fremdkapital
272,0
252,0
Summe Aktiva
510,0
500,0
Summe Passiva
510,0
500,0

Abb. 2: Strukturbilanz des Fallbeispiels

II. Begriff und Ermittlung des Cashflows

1. Cashflow-Begriff

Der Cashflow [i]Definitionlässt sich am ehesten als „Zahlungsmittelüberschuss“ übersetzen. Er stellt die periodische Veränderung des Bestands an Zahlungsmitteln dar, d. h. von

  • Zahlungsmitteln im engeren Sinne, d. h. Barmitteln und täglich fälligen Sichteinlagen,

  • Zahlungsmitteläquivalenten, d. h. als Liquiditätsreserve gehaltene, kurzfristige Finanzmittel, die nur unwesentlichen Wertschwankungen unterliegen, insbesondere Wertpapieren des Umlaufvermögens, die täglich veräußerbar sind und nach dem strengen Niederstwertprinzip bewertet werden.

Damit unterliegt der [i]Ermittlung des Cashflows auf zwei ArtenCashflow faktisch keinen Bewertungsproblemen. Er kann auf zwei Arten ermittelt werden:

  • gemäß der sogenannten direkten Methode anhand des kurzfristigen Finanzplans (Liquiditätsplans) als explizite Differenz zwischen der Summe der Einzahlungen und der Summe der Auszahlungen einer Periode;

  • gemäß der sogenannten indirekten Methode aus der GuV. Der Jahresüberschuss als Saldo ist dann um nicht zahlungswirksame Vorgänge zu bereinigen; hinzu kommen zahlungswirksame Vorgänge, die auf der GuV-Ebene hingegen nicht erscheinen (z. B. erfolgsneutrale Bestandsänderungen).

Da die Einzahlungen [i]Cashflow wird häufig auf indirektem Wege entwickeltund Auszahlungen (zumindest für externe Bilanzanalytiker) unbekannt sind, wird der Cashflow häufig auf indirektem Wege entwickelt. Die GuV ist als Bestandteil des prüfungs- und offenlegungspflichtigen Jahresabschlusses – anders als der Finanzplan – Externen zugänglich. S. 182

Abb. 3: Vom Jahresergebnis zum Cashflow

Bei den erstgenannten, jahresabschlusspolitischen Maßnahmen handelt es sich vor allem um nicht zahlungswirksame Bewertungsvorgänge, die Auswirkungen auf den Jahresüberschuss haben, z. B. die Bemessung der