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FG Bremen Urteil v. - 2 K 104/23

Gesetze: EStG § 68 Abs. 1, AO § 5, AO § 227 2. Halbsatz, FGO § 102, BGB § 242

Antrag auf Erlass einer Kindergeldrückforderung infolge sachlicher sowie persönlicher Unbilligkeit nach Verletzung der Mitwirkungspflichten infolge unterlassener Mitteilung des Umzug der Familie in die Türkei

Ausschluss einer Kindergeldrückforderung nach Treu und Glauben

Leitsatz

1. Hat der Kindergeldberechtigte seine steuerlichen Mitwirkungspflichten nach § 68 EStG verletzt, sind die Voraussetzungen für einen Erlass nach § 227 AO infolge persönlicher Unbilligkeit nicht erfüllt.

2. Versäumnisse des Steuerpflichtigen während des Aufhebungs-, Rückforderungs- und Rechtsbehelfsverfahrens können nicht im Billigkeitswege zu seinen Gunsten korrigiert werden. Denn der Erlass dient nicht dazu, die Folgen schuldhafter Versäumnis von Rechtsbehelfsmöglichkeiten auszugleichen. Im Erlassverfahren ist vielmehr davon auszugehen, dass die Forderung zu Recht festgesetzt worden ist.

3. Bei Einwänden, die die materiell-rechtliche Richtigkeit der Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des Kindergeldes betreffen, ist ein Erlass aus Billigkeitsgründen nur möglich, wenn die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des Kindergeldes offensichtlich und eindeutig falsch sind und dem Kindergeldberechtigten nicht zuzumuten war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wenden. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

4. Wurde die Kindergeldfestsetzung bestandskräftig aufgehoben, ist die Behörde nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zur Rückforderung verpflichtet; die Rückforderung steht nicht im Ermessen der Behörde.

5. Der auch im Steuerrecht zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben steht dem Kindergeld-Rückforderungsanspruch der Familienkasse nicht entgegen, wenn es an einem Verhalten der Familienkasse fehlt, welches für den Rückforderungsschuldner bei objektiver Auslegung den eindeutigen Schluss zugelassen hätte, dass ihm das zu Unrecht gezahlte Kindergeld endgültig belassen werde. Außerdem kann sich nur derjenige gegenüber der Rückforderung auf Treu und Glauben berufen, der sich selbst rechtstreu verhalten hat, was bei einer vorangegangenen Verletzung der Mitwirkungspflichten (hier: unterlassene Mitteilung des Wegzugs der Familie in die Türkei) nicht der Fall ist.

6. Allerdings ist bei der Frage der sachlichen Unbilligkeit der Geltendmachung der Rückforderungsansprüche der Familienkasse nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung das Verhalten des Kindergeldberechtigten und der Familienkasse zu berücksichtigen. Das Verhalten der Beteiligten ist zu würdigen und gegeneinander abzuwägen. Dabei sind alle für die Abwägung relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Pflichtverletzung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gedanke der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Ist einerseits kein zögerliches oder fehlerhaftes Verhalten der Familienkasse, das zur Entstehung des Rückforderungsanspruchs beigetragen hat, feststellbar und hat andererseits der Kläger eine Mitwirkungspflichtverletzung gemäß § 68 Abs. 1 EStG zu vertreten, ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Familienkasse einen Erstattungsanspruch abgelehnt hat.

Fundstelle(n):
BAAAJ-64944

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