BFH Beschluss v. - II B 170/03 BStBl 2005 II S. 429

Anknüpfung der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens an die Steuerbilanzwerte

Leitsatz

Rechtsfragen, die die Steuerbilanz betreffen, können wegen der für Feststellungszeitpunkte vom bis bestehenden materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Anknüpfung der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens an die Steuerbilanzwerte nicht in einem wegen der Einheitsbewertung geführten Revisionsverfahren geklärt werden. Das Begehren, die Revision in einer Einheitswertsache zuzulassen, kann daher nicht auf solche Rechtsfragen gestützt werden.

Gesetze: AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2BewG in der von 1993 bis 1997 geltenden Fassung § 95 Abs. 1BewG in der von 1993 bis 1997 geltenden Fassung § 103 Abs. 1BewG in der von 1993 bis 1997 geltenden Fassung § 109 Abs. 1BewG in der von 1993 bis 1997 geltenden Fassung § 109aFGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2

Instanzenzug: ,

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ist körperschaftsteuerlich Organgesellschaft einer in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geführten Holding (Organträgerin).

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) geänderte Bescheide über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den und 1997, in denen er —übereinstimmend mit der ertragsteuerlichen Behandlung— Rückstellungen für die mögliche Inanspruchnahme aus von der Klägerin ausgegebenen Dienstleistungsgutscheinen nicht mehr berücksichtigte. Auf der Grundlage des Einheitswertbescheids zum erließ er auch einen geänderten Vermögensteuerbescheid auf diesen Stichtag.

Das Einspruchs- und Klageverfahren gegen die genannten Bescheide blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah eine Passivierung der Verpflichtungen aus den Gutscheinen als nicht zulässig an.

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision bringt die Klägerin vor, es stellten sich hierbei —näher bezeichnete— materiell-rechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Ferner rügt sie das Übergehen von Beweisanträgen.

Wegen der ertragsteuerrechtlichen Behandlung der Rückstellungen ist beim FG ein Klageverfahren der Organträgerin (9 K 306/00) und beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Revisionsverfahren der Klägerin (I R 59/04) anhängig.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie die Vermögensteuer auf den betrifft. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Hinsichtlich der Vermögensteuer genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es fehlt an jeglichen Ausführungen dazu, warum für die Vermögensteuerfestsetzung auf den eigenständige Zulassungsgründe gegeben sein sollen, obwohl der Einheitswertbescheid insoweit bindend ist (§ 182 Abs. 1 der AbgabenordnungAO 1977— i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes und § 114 Abs. 3 des BewertungsgesetzesBewG— in der in den Jahren 1996 und 1997 gültigen Fassung).

2. Soweit die Beschwerde die Einheitswertfeststellungen betrifft, hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre (vgl. zum Erfordernis der Klärungsfähigkeit , BFH/NV 2004, 495, unter 1.).

a) Im Hinblick auf die materiell-rechtliche (§ 95 Abs. 1, § 103 Abs. 1, § 109 Abs. 1 BewG) und verfahrensrechtliche (§ 109a BewG) Anknüpfung der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens an die Steuerbilanzwerte hat der Senat bereits entschieden, dass Streitfragen, die die Steuerbilanz betreffen, nicht in einem wegen der Einheitsbewertung geführten Revisionsverfahren klärungsfähig sind (, BFH/NV 2003, 1592, m.w.N.). Ein Streit über den Ansatz oder den Wert einzelner Wirtschaftsgüter kann nur auf dem Gebiet der Ertragsteuern ausgetragen werden, weil die ertragsteuerrechtlichen Bilanzansätze —von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen— dem Grunde und der Höhe nach ohne weiteres für die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zu übernehmen sind.

b) Dem steht nicht entgegen, dass § 109a BewG durch Art. 6 Nr. 19 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform (UntStRFoG) vom (BGBl I 1997, 2590) aufgehoben worden ist. Denn nach § 152 Abs. 1 BewG i.d.F. des UntStRFoG waren die Änderungen des BewG „erstmals zum anzuwenden”.

Der Wortlaut dieser Anwendungsregelung lässt es zu, die Korrekturvorschrift des § 109a BewG —und damit die verfahrensrechtliche Flankierung der materiell-rechtlichen Bindungswirkung— auf Bescheide, die Feststellungszeitpunkte vor dem betreffen, auch dann weiter anzuwenden, wenn der geänderte Bescheid über die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens erst nach dem ergeht.

Eine solche Auslegung wird vor allem durch den Sinn und Zweck sowohl des § 109a BewG als auch der durch das UntStRFoG vorgenommenen Änderungen geboten: § 109a BewG diente dazu, die seit 1993 bestehende materiell-rechtliche Bindung der Vermögensaufstellung an die Steuerbilanz auch verfahrensrechtlich zu flankieren. Die Änderungen des BewG durch das UntStRFoG beruhten auf der durch dasselbe Gesetz bewirkten Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zum ; der Gesetzgeber hat die umfangreichen Änderungen des BewG als lediglich „redaktionelle Folgeänderungen” angesehen (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom , BTDrucks 13/7000, 23). Eine Änderung der sowohl materiell-rechtlichen als auch verfahrensrechtlichen Bindung der Einheitswertfeststellung an die Steuerbilanz war für vergangene Feststellungszeitpunkte nicht beabsichtigt.

Dies wird bei einer Betrachtung der parallelen Problematik der —ebenfalls durch das UntStRFoG geänderten— besonderen Korrekturvorschrift des § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) noch deutlicher: Nach dessen früherer Fassung war ein Gewerbesteuermessbescheid auch dann zu ändern, wenn ein Feststellungsbescheid geändert wurde und dies den Einheitswert des Gewerbebetriebs berührte. § 35b GewStG i.d.F. des UntStRFoG sieht eine Änderungsmöglichkeit hingegen nur noch dann vor, wenn der „Gewinn aus Gewerbebetrieb” berührt wird. Diese Änderungen des GewStG sind gemäß § 36 Abs. 1 GewStG i.d.F. des UntStRFoG „erstmals für den Erhebungszeitraum 1998 anzuwenden”. Dies erhellt, dass für frühere Erhebungszeiträume die bisherige Fassung des Gesetzes insgesamt —einschließlich der besonderen Korrekturvorschrift— weiter anwendbar sein soll. Nichts anderes kann aber für die vergleichbare Problematik des durch dasselbe Gesetz und vor allem aus Anlass des Wegfalls der Gewerbekapitalsteuer geänderten BewG gelten.

Der Senat hat die weitere Anwendbarkeit des § 109a BewG auch über den hinaus bisher zwar nicht ausdrücklich, in zahlreichen Entscheidungen aber inzident bejaht (vgl. BFH-Entscheidungen vom II R 58/98, BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92; vom II B 71/00, BFH/NV 2001, 1230; in BFH/NV 2003, 1592, und vom II R 67/01, BFH/NV 2004, 1074).

3. Ob die von der Klägerin gerügten Abweichungen des Urteils der Vorinstanz von anderen Entscheidungen tatsächlich vorliegen, kann offen bleiben, da jedenfalls in diesem Verfahren die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des BFH „erfordert” (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). An der insoweit vorausgesetzten Erforderlichkeit fehlt es schon deswegen, weil eine Entscheidung der materiell-rechtlichen Streitfragen, auf die sich die angeführten Divergenzentscheidungen beziehen, in einem Revisionsverfahren über die Einheitswert-Feststellungsbescheide aus den vorstehend genannten Gründen nicht möglich wäre.

4. Hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensmangels hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die beantragte Beweiserhebung auch auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG hätte durchgeführt werden müssen (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Beschlüsse vom II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562, und vom IV B 6/99, BFH/NV 2000, 1445). Im Übrigen wird insoweit von einer weiteren Begründung abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

5. Der Senat weist darauf hin, dass die mit dieser Entscheidung eintretende Rechtskraft der geänderten Einheitswertbescheide einer späteren Berücksichtigung der streitigen Rückstellungen nicht entgegen steht, sofern die Steuerbilanz der Klägerin geändert wird, die der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung —sei es bei der Körperschaftsteuerveranlagung der Klägerin oder der Gewinnfeststellung der Organträgerin— zugrunde gelegen hat. Denn eine im Rahmen der anhängigen Rechtsmittelverfahren noch mögliche Änderung der Steuerbilanz würde angesichts der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Bindungswirkung der Steuerbilanz für die Vermögensaufstellung ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) darstellen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 429
BB 2005 S. 824 Nr. 15
BFH/NV 2005 S. 749 Nr. 5
BStBl II 2005 S. 429 Nr. 11
DB 2005 S. 1149 Nr. 21
DStRE 2005 S. 602 Nr. 10
INF 2005 S. 404 Nr. 11
StB 2005 S. 169 Nr. 5
RAAAB-50840