BGH Urteil v. - VII ZR 180/03

Leitsatz

[1] Ein Sachvortrag kann in der Berufungsinstanz nicht zurückgewiesen werden, wenn das erstinstanzliche Gericht aufgrund eines unvollständigen gerichtlichen Hinweises den Eindruck erweckt hat, weiteres Vorbringen sei nicht erforderlich.

Gesetze: ZPO § 139 Abs. 2; ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug: LG Augsburg

Tatbestand

Der Kläger verlangt restliche Vergütung von 78.969,49 € für eine Brandschadenssanierung bei einem Objekt des Beklagten.

Der Beklagte hat in erster Instanz die Beauftragung des Klägers bestritten und geltend gemacht, die Abrechnung sei überhöht. Er habe nur ein deutlich niedrigeres Angebot erhalten, allenfalls könne danach abgerechnet werden. Soweit der Kläger in der Klageschrift die angeblich erbrachten Leistungen in einem anderen, nicht erhaltenen Angebot aufgelistet habe, würden diese selbst, wie auch die Angemessenheit der dort aufgeführten Einzelsummen, bestritten. Außerdem hat der Beklagte Mängel gerügt und sich insoweit die Aufrechnung vorbehalten.

Das Landgericht hat den Beklagten in der Terminsverfügung auf folgendes hingewiesen: "Soweit der Beklagte wegen der nicht fachgerechten Sanierung sich Schäden berühmt, mögen diese beziffert und unter Beweis gestellt werden." Im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom hat der Beklagte, auf eine in der mündlichen Verhandlung geäußerte Bitte bezugnehmend, um einen Hinweis gebeten, falls das Bestreiten der einzelnen Leistungen nicht ausreichend sei. Da ein Hinweis bisher nicht erteilt sei, werde davon ausgegangen, daß der bisherige Vortrag ausreiche.

In dem daraufhin ergangenen, klagezusprechenden Urteil hat das Landgericht das Bestreiten der Rechnungshöhe als unsubstantiiert zurückgewiesen, auch weil es im Widerspruch zu dem Abrechnungsverhalten gegenüber der Brandversicherung stehe.

Mit der Berufung hat der Beklagte eine Überraschungsentscheidung gerügt und umfangreich zu den einzelnen Positionen vorgetragen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der erstinstanzliche Anwalt des Beklagten als dessen Streithelfer den Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

A.

Die Revision ist zulässig. Der Streithelfer ist mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde dem Rechtsstreit beigetreten. Entgegen der Auffassung des Revisionsbeklagten entspricht der Beitritt den Anforderungen des § 70 Nr. 2 ZPO. Der Streithelfer hat mit seinem Beitritt auf die noch im Berufungsrechtszug erfolgte Streitverkündung Bezug genommen. Aus dieser und den ihm zugestellten Unterlagen ergibt sich eindeutig, daß ihm der Streit als Anwalt wegen eines Regreßanspruches verkündet worden ist.

B.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Verfahren der Berufung sind die Vorschriften nach Maßgabe des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom anzuwenden (§ 26 Nr. 5 EGZPO).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die Klage sei begründet. Das detaillierte Bestreiten der einzelnen Positionen aus dem Angebot des Klägers werde nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Vorbringen des Beklagten zu den einzelnen Abrechnungspositionen hätte gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO berücksichtigt werden müssen. Danach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen, wenn sie infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Das Landgericht hat die Entscheidung unter Verstoß gegen § 139 Abs. 2 ZPO auf einen Gesichtspunkt gestützt, den der Beklagte erkennbar übersehen hat, ohne ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der Beklagte ist erkennbar und jedenfalls nach der Terminsverfügung des Landgerichts auch zu Recht davon ausgegangen, daß sein Bestreiten ausreichend war. Denn mit der Terminsverfügung hat das Landgericht nur auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Aufrechnung hingewiesen. Es hat damit den Eindruck erweckt, weitere Bedenken gegen die Verteidigung bestünden nicht. Daß das pauschale Bestreiten derjenigen Leistungen, die im von der Klägerin vorgelegten Angebot bezeichnet waren, nicht als ausreichend bewertet werde, lag entgegen der von der Klägerin im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung nicht auf der Hand. Der Beklagte hat sich auch damit verteidigt, daß er lediglich die Leistungen in Auftrag gegeben und zu bezahlen habe, die sich aus dem von ihm vorgelegten Angebot ergäben. In diesem Angebot waren Leistungen detailliert aufgeführt.

Es besteht kein Zweifel daran, daß der Beklagte nach dem gebotenen Hinweis des Landgerichts darauf, daß auch das Bestreiten der der Werklohnforderung zugrunde liegenden Behauptungen als unsubstantiiert bewertet werde, den Vortrag in der Weise ergänzt hätte, wie es in der Berufungsbegründung geschehen ist.

Fundstelle(n):
BB 2004 S. 2660 Nr. 48
OAAAC-03326

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein