BFH Beschluss v. - III B 17/05

Vorliegen eines Geschäftswerts oder Firmenwerts

Gesetze: EStG § 6

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Inhaber des Einzelunternehmens…(im Folgenden: Einzelunternehmen), das als Handelsvertreter der K-GmbH tätig war. Mit „Unternehmenskaufvertrag” vom veräußerte der Kläger das Einzelunternehmen an die neu gegründete…Vertriebs-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer er war. Der Unternehmenskaufvertrag lautet auszugsweise:

„§ 1 Kaufgegenstand

Der Verkäufer verkauft das von ihm betriebene Einzelunternehmen…an den Käufer. ...

...

§ 3 Kaufpreis

1. Der Verkäufer überträgt den Kaufgegenstand nach § 1 dieses Vertrages zum Gesamtkaufpreis von DM 2 500 000,00.

Es verteilt sich wie folgt:


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1. Gebäudeeinrichtung
100 000,00 DM
2. Büroeinrichtung
40 000,00 DM
3. GWG
20 000,00 DM
4. Verbindlichkeit M
5 562,29 DM
5. Ausgleichsanspruch
2 334 437,71 DM
 
2 500 000,00 DM

...

§ 9 Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB

Dem Verkäufer steht auf Grund seiner Tätigkeit gegen die…(K-GmbH) ein Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB zu. Der Verkäufer tritt diesen Anspruch an den Käufer hiermit ab. Der Käufer nimmt die Abtretung an.

Die Zustimmung der…(K-GmbH) liegt schriftlich vor.”

Bereits am war zwischen der K-GmbH, dem Einzelunternehmen und der in Gründung befindlichen Vertriebs-GmbH folgende „Übernahmevereinbarung” getroffen worden:

"I.

Zwischen der…(K-GmbH) und…(dem Kläger) besteht ein Handelsvertretervertrag nach § 84 ff. HGB….

II.

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass alle Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis zwischen der…(K-GmbH) und…(dem Kläger) auf die…(Vertriebs-GmbH) übertragen werden.

...

4. (Der Kläger)…verzichtet auf die persönliche Geltendmachung seines Ausgleichsanspruches gem. § 89b HGB.

...

6. Die von…(dem Kläger) während seiner bisherigen Vertretertätigkeit geworbenen Kunden werden ausgleichsrechtlich zugunsten der…(Vertriebs-GmbH) berücksichtigt.”

In einer undatierten „Klarstellungs- und Ergänzungsvereinbarung” zur Übernahmevereinbarung heißt es:

"Die Parteien stellen klar, dass der…(vom Kläger) erklärte Verzicht auf die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs gem. § 89b HGB wie folgt gemeint ist:

1. Es ist unstreitig, dass…(der Kläger) eine Anwartschaft auf einen Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB besitzt. Diese Anwartschaft macht…(der Kläger) nicht gegenüber dem Geschäftsherrn, der…(K-GmbH) geltend, weil sich die…(Vertriebs-GmbH) verpflichtet hat, diese Anwartschaft für…(die K-GmbH) zu erfüllen, die mit Zustimmung des Geschäftsherrn seine bisherigen Vertreterbezirke übernommen hat.”

Seiner Erklärung zum Gewerbesteuermessbetrag 1991 legte der Kläger einen laufenden Verlust zugrunde. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) veranlagte zunächst antragsgemäß unter Nachprüfungsvorbehalt. Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das FA den Gewerbesteuermessbescheid. Es rechnete den im Veräußerungsgewinn enthaltenen Ausgleichsanspruch nach § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) in Höhe von 2 334 437,71 DM dem laufenden Gewinn zu, so dass sich statt eines Verlustes ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1 835 648 DM ergab.

Mit dem Einspruch machte der Kläger unter anderem geltend, in dem Kaufpreis sei keine Ausgleichszahlung nach § 89b HGB enthalten. Aus der Klarstellungs- und Ergänzungsvereinbarung gehe hervor, dass er auf die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs verzichtet habe. Im Übrigen könne in der angenommenen Höhe kein Ausgleichsanspruch entstanden sein.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Vertriebs-GmbH habe den Ausgleichsanspruch durch Zahlung des Kaufpreises befriedigt. Der vereinbarte Ansatz von 2 334 437 Mio. DM liege weit unterhalb des sich gemäß § 89b Abs. 2 HGB aus den durchschnittlichen Jahresprovisionen der letzten fünf Jahre ergebenden Höchstanspruchs.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2005, 1083 abgedruckt ist, wies die Klage ab und führte aus, dem Kläger habe ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zugestanden, dieser sei nicht gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 3 HGB ausgeschlossen gewesen, habe von der Vertriebs-GmbH erfüllt werden sollen und sei in bezifferter Höhe in den Kaufpreis für das Einzelunternehmen eingegangen. Die Ausführungen zur Höhe des Ausgleichsanspruchs in der Einspruchsentscheidung überzeugten; die Einwendungen des Klägers dagegen stellten sich als widersprüchliches Verhalten („venire contra factum proprium”) dar.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Ein Ausgleichsanspruch sei vom FG zu Unrecht bejaht worden. Es habe dabei verkannt, dass die Veräußerung eines gut gehenden Unternehmens im Ganzen mit einem Umsatz im Millionenbereich zu einem Kaufpreis von 2,5 Mio. DM ohne Ansatz eines Firmenwertes nicht denkbar und zulässig sei. Der Firmenwert sei im Unternehmenskaufvertrag fälschlich als Ausgleichsanspruch deklariert worden. Dies verdeutliche die Motivation der damaligen Vertragsparteien:

Die Gründung der Vertriebs-GmbH sei von der K-GmbH zur Voraussetzung für die Erweiterung des Vertriebsrechts auf die neuen Bundesländer gemacht worden, weil das zusätzliche Kundenpotential zu einem Anwachsen des künftigen Ausgleichsanspruchs geführt hätte und ein Ausscheiden des Klägers z.B. wegen Alters keinen Ausgleichsanspruch hätte entstehen lassen, sofern das Vertragsverhältnis mit der Vertriebs-GmbH fortgesetzt worden wäre. Eine Abwälzungsvereinbarung sei nicht getroffen worden. Die K-GmbH habe immer den Ausgleichsanspruch zu erfüllen gehabt und habe ihn der Vertriebs-GmbH gegenüber zu einem späteren Zeitpunkt auch gezahlt. Die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs seien von ihm, dem Kläger, auch nicht dargetan worden. Es fehlten Feststellungen über die Vorteile der K-GmbH aus von ihm geworbenen Kunden nach Beendigung des Vertragsverhältnisses und über entfallende Provisionseinnahmen. Nach den Kriterien der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei ein Ausgleichsanspruch von allenfalls 476 939 DM entstanden; der gemäß der Regelung in § 89b Abs. 2 HGB nach dem Durchschnitt der Provisionen der letzten fünf Jahre berechnete Höchstbetrag liege angesichts von Gesamtumsätzen von 41 480 822 DM, davon nicht ausgleichsfähig aufgrund Offshore-Abkommens 3 416 653 DM, und einem Provisionssatz von 9 v.H. bei 685 155 DM.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Mit der Rüge, das FG habe verkannt, dass die Veräußerung eines gut gehenden Unternehmens im Ganzen mit einem Umsatz im Millionenbereich zu einem Kaufpreis von 2,5 Mio. DM ohne Ansatz eines Firmenwertes nicht denkbar und zulässig sei, wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO bezeichnet.

Bei dem Geschäfts- oder Firmenwert (vgl. auch § 266 Abs. 2 HGB unter A. I. 2.) handelt es sich um den Mehrwert, der einem gewerblichen Unternehmen über den Substanzwert der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter abzüglich Schulden hinaus innewohnt (, BFHE 180, 548, BStBl II 1996, 576); er wird durch die Gewinnaussichten bestimmt. Ob ein Geschäfts- oder Firmenwert vorhanden ist, d.h. ob der Unternehmenswert den Wert aller Wirtschaftsgüter abzüglich der Schulden übersteigt, ist eine Frage des Einzelfalls. Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es keinen Rechts- oder Erfahrungssatz des Inhaltes, dass die Veräußerung eines gut gehenden Unternehmens im Ganzen mit einem Umsatz im Millionenbereich zu einem Kaufpreis von 2,5 Mio. DM ohne Ansatz eines Firmenwertes nicht denkbar und zulässig sei.

Soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das FG der Kaufpreisaufteilung in dem vom Kläger gestalteten Unternehmenskaufvertrag gefolgt ist, weil ein Ausgleichsanspruch bestanden habe und dieser auch der Höhe nach zutreffend angesetzt worden sei, rügt er nach Art einer Revisionsbegründung die fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts durch das FG; seine Hinweise auf die Rechtsprechung des BGH zur Berechnung der Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern genügen insbesondere auch nicht den Anforderungen einer Divergenzrüge (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 48). Fehler der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall vermögen die Zulassung der Revision aber nicht zu rechtfertigen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24).

Fundstelle(n):
WAAAC-37142