BVerwG Urteil v. - 2 A 8.08

Leitsatz

Die (Ausgangs-)Behörde, die ihre mit einem Widerspruch angegriffene Maßnahme als rechtswidrig erkennt, hat die ihr vor Erlass eines Widerspruchsbescheids zustehende Wahl zwischen Abhilfe und Rücknahme nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Sieht die Behörde von einer Abhilfe nur deswegen ab, um dem zu erwartenden Kostenanspruch des Widerspruchsführers zu entgehen, ist die behördliche Formenwahl unbeachtlich und von einer Abhilfeentscheidung auszugehen.

Gesetze: BRRG § 126 Abs. 3 Nr. 1; BBG § 126 Abs. 2 n.F.; VwGO § 69; VwGO § 72; VwVfG § 48; VwVfG § 80 Abs. 1 S. 1; VwVfG § 80 Abs. 2

Gründe

I

Der Kläger ist Beamter und beim Bundesnachrichtendienst tätig. Mit Schreiben vom legte er durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen eine dienstliche Beurteilung vom ein, die ihm am eröffnet worden war und die den Zeitraum vom bis zum umfasste. Dabei wandte er sich dagegen, dass der Zweitbeurteiler die Gesamtnote von 7,6 auf 6 herabgesetzt hatte, und machte geltend, der Zweitbeurteiler habe lediglich den einjährigen Auslandseinsatz des Klägers erfasst und damit drei Viertel des Beurteilungszeitraums nicht berücksichtigt. Außerdem rügte er weitere Verstöße gegen die Beurteilungsrichtlinien des Bundesnachrichtendienstes.

Bereits bei der Eröffnung der Beurteilung hatte der Kläger schriftlich vermerkt, er sei mit der Beurteilung nicht einverstanden und habe seine Einwände in einem angefügten Schreiben dargelegt. In einem weiteren Schreiben an den Bundesnachrichtendienst vom kündigte er rechtliche Schritte an, da nunmehr zwei Monate seit der Eröffnung der Beurteilung vergangen seien. Zugleich legte er eine vom datierte Prozessvollmacht vor.

In einem internen Schreiben des Bundesnachrichtendienstes vom wurde um Prüfung gebeten, ob die Herabsetzung der Note schlüssig sei. In einem weiteren internen Schreiben wurde dem Beurteiler mitgeteilt, die Beurteilung sei aufgehoben worden. Zugleich wurde er um eine neue Regelbeurteilung gebeten. Am wurde dem Kläger telefonisch mitgeteilt, die beanstandete Beurteilung sei aufgehoben worden. Am wurde ihm eine neue Beurteilung eröffnet.

Der Antrag des Klägers, in dem Widerspruchsverfahren eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten zu treffen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären, blieb erfolglos. Die Beklagte machte geltend, der erst am eingegangene Widerspruch sei für die Aufhebung der Beurteilung nicht ursächlich gewesen; sie sei auch nicht aus den Gründen des Widerspruchs aufgehoben worden. Weil die Beurteilung keine widerspruchsfähige Entscheidung sei, sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig gewesen.

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, er habe Anspruch auf Erstattung der Kosten des Vorverfahrens, vor allem seiner Anwaltskosten. Die Aufhebung der angegriffenen Beurteilung stelle eine Abhilfeentscheidung dar.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verpflichten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens betreffend die Beurteilung des Klägers vom der Bundesrepublik Deutschland aufzuerlegen,

2.

die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, es fehle an der für eine Kostenentscheidung notwendigen Voraussetzung, dass der Widerspruch erfolgreich gewesen sei. Die Aufhebung der dienstlichen Beurteilung vom stelle keine Abhilfeentscheidung dar, zumal sie nicht aus den Gründen des Widerspruchs getroffen worden sei. Die Vorgehensweise mache deutlich, dass sie keine Abhilfeentscheidung, sondern zulässigerweise eine Entscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens habe treffen wollen. Das eigenhändige Schreiben des Klägers vom sei nicht als Widerspruch, sondern als formlose Gegenvorstellung anzusehen und von der Beklagten auch so aufgefasst worden. Zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung, am , habe der vom Bevollmächtigten des Klägers eingelegte Widerspruch noch gar nicht vorgelegen.

Hiervon abgesehen sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auch nicht notwendig gewesen. Dem damals in B. residierenden Kläger, der sich bereits persönlich und sachkundig um eine Aufhebung der Beurteilung bemüht habe, müsse bewusst gewesen sein, dass unter Berücksichtigung eines zehntägigen Postlaufs sich die Angelegenheit nach seinem letzten Gespräch vom noch in der Prüfungsphase befunden habe, sodass es für ihn zumutbar gewesen wäre, weiter abzuwarten.

II

Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich und im Einverständnis beider Beteiligter gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist im Wesentlichen begründet.

Der Kläger hat gegen die dienstliche Beurteilung vom Widerspruch erhoben (1), dem die Beklagte entsprochen hat. Die Beklagte war daher verpflichtet, auch über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden (2). Die Kostenentscheidung muss dahingehend lauten, dass die Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen hat, die auch die Kosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers umfassen (3).

1.

Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG, der gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG in der Fassung des Art. 15 Abs. 16 Nr. 2 Buchst. b DNeuG in Kraft geblieben und für Bundesbeamte mit Wirkung vom durch die sachlich unveränderte Regelung des § 126 Abs. 2 BBG n.F. ersetzt worden ist, ist vor Klageerhebung in allen Klagen der Beamten aus dem Beamtenverhältnis ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Deshalb bedarf auch die gerichtliche Anfechtung einer dienstlichen Beurteilung, die selbst kein Verwaltungsakt ist, der vorherigen Erhebung eines Widerspruchs. Als Widerspruch im Sinne des § 69 VwGO ist jede Äußerung zu verstehen, durch die der Betroffene zu erkennen gibt, er sei mit der getroffenen Entscheidung oder Maßnahme nicht einverstanden (vgl. BVerwG 7 C 33.70 - Buchholz 310 § 70 VwGO Nr. 4). Auf die Bezeichnung als Widerspruch kommt es nicht an. Im Zweifel sind Erklärungen eines Betroffenen so auszulegen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. BVerwG 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5 und vom - BVerwG 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302 <307> = Buchholz 310 § 69 VwGO Nr. 7 S. 6). Von einer bloßen Gegenvorstellung kann die Behörde nur dann ausgehen, wenn dies offensichtlich ist (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 69 Rn. 5).

Hieran gemessen war bereits die anlässlich der Eröffnung abgegebene schriftliche Äußerung des Klägers, derzufolge er mit der Beurteilung nicht einverstanden war und wegen seiner Einwände auf das angefügte Schreiben vom verwies, als Widerspruch und nicht als bloße Gegenvorstellung zu werten. Sie hatte erkennbar den Sinn, die Behörde dazu zu veranlassen, die Rechtmäßigkeit der Beurteilung zu überprüfen und die angegriffene Beurteilung durch eine andere zu ersetzen. In dem gleichzeitig überreichten und bei der Auslegung mit heranzuziehenden Schreiben hat der Kläger dargelegt, die Abweichung der Gesamtnote um 2 Notenstufen von der mit ihm vorbesprochenen Beurteilung sei ihm unerklärlich. Man habe sich damit über die Einschätzung seiner Vorgesetzten hinweggesetzt. Die Schlussformel, er bitte um Prüfung, ob eine Korrektur der Beurteilung angezeigt sei, ist als höfliche und zurückhaltende, aber gleichwohl unmissverständliche Aufforderung zu verstehen, die aufgezeigten Einwände zu prüfen und als Ergebnis der Prüfung die Beurteilung im Sinne des Klägers zu ändern.

Selbst wenn das Schreiben vom noch nicht als Widerspruch zu werten wäre, wäre jedenfalls das Schreiben vom als solcher aufzufassen. In diesem Schreiben beanstandet der Kläger, dass seit der Eröffnung der Beurteilung zwei Monate vergangen seien, ohne dass eine interne Klärung möglich gewesen sei. Er bedaure, jetzt den Rechtsweg einschlagen zu müssen, und habe bereits seine Unterlagen für den Anwalt aufbereitet. Die Gesamtnote des Zweitbeurteilers decke sich nicht mit der Regelbeurteilung und den Beurteilungsbeiträgen und könne von ihm nicht akzeptiert werden. Er sei acht Monate nach dem Beurteilungsstichtag nunmehr gezwungen, einen juristischen Weg zu gehen. Dieses Schreiben lässt erneut unmissverständlich erkennen, dass und warum sich der Kläger gegen die Beurteilung wendet.

Der Rechtscharakter der beiden eigenen Schreiben des Klägers als Widerspruch ist nicht rückblickend deswegen zu verneinen, weil der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom erneut einen ausdrücklich als solchen bezeichneten Widerspruch eingelegt hat. Für die Frage, ob bereits ein Widerspruchsverfahren eingeleitet worden war, kommt es auf dieses Schreiben nicht an.

2.

Will die (Ausgangs-)Behörde, deren Maßnahme mit einem Widerspruch angegriffen worden ist, den angefochtenen Verwaltungsakt oder - wie hier - die angegriffene Beurteilung aus der Welt schaffen, hat sie vor Erlass eines Widerspruchsbescheids durch die Widerspruchsbehörde grundsätzlich die Wahl, ob sie dem Widerspruch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gemäß § 72 VwGO abhilft oder ob sie den Verwaltungsakt - oder die Beurteilung - in einem eigenständigen Verfahren außerhalb des Widerspruchsverfahrens gemäß § 48 VwVfG zurücknimmt (vgl. BVerwG 4 C 6.95 - BVerwGE 101, 64 <69 f.> = Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 38 S. 10 f. und vom - BVerwG 6 C 24.02 - BVerwGE 118, 84 <88 f.> = Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 50 S. 20; anders - Verpflichtung zur Abhilfe bei zulässigem und begründetem Widerspruch - Hüttenbrink, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 72 Rn. 12; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Oktober 2008, § 72 Rn. 16a). Diese Wahl hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Hierbei darf sie beispielsweise berücksichtigen, ob sie den Widerspruch für von Anfang an begründet hält oder ob sie ihm aus anderen, etwa aus nachträglich entstandenen Gründen entsprechen will. Bei einer Rücknahme nach § 48 VwVfG ist die Behörde überdies weder an die Zulässigkeit noch an die Begründetheit des eingelegten Widerspruchs gebunden; insbesondere kann sie diesen Weg noch nach Unanfechtbarkeit des angegriffenen Bescheides wählen. Anders als bei der Abhilfe verfügt sie hier über ein Ermessen, in welchem Umfang sie den Verwaltungsakt zurücknimmt. Allerdings darf sie die Form der Rücknahme nicht nur deshalb wählen, um der in § 72 VwGO vorgeschriebenen Kostenentscheidung auszuweichen.

Ob die Behörde eine Abhilfeentscheidung innerhalb oder eine Rücknahmeentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen hat, ist nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen für behördliche Willenserklärungen zu beurteilen. Grundsätzlich hat die Behörde deutlich zu machen, was sie gewollt hat (vgl. Urteil vom - a.a.O. S. 72 bzw. S. 13). Bei nicht auszuräumenden Unklarheiten ist von einer Entscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auszugehen (Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/ von Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 72 Rn. 6; Geis, in: Sodan-Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 72 Rn. 41; Kopp/Schenke, a.a.O. § 72 Rn. 8). Ergibt die Auslegung, dass die Behörde materiell eine solche Entscheidung getroffen hat, dann folgt aus § 72 und § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO, dass sie auch über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu entscheiden hat. Hat sie diese Entscheidung unterlassen, kann sie im Wege der Verpflichtungsklage hierzu verpflichtet werden. Ergibt die Auslegung dagegen, dass die Behörde eine Rücknahmeentscheidung im Sinne des § 48 VwVfG getroffen hat, ist sie nicht verpflichtet, eine Kostenentscheidung zu treffen; § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist in diesem Fall nicht anwendbar, weil der Widerspruch nicht zum Erfolg im Sinne des § 72 VwGO, sondern zu einer Erledigung des Verwaltungsaktes außerhalb des Widerspruchsverfahrens geführt hat.

Im Streitfall lässt sich die Handlungsweise der Beklagten nicht eindeutig einordnen. Sie hat dem Kläger zunächst lediglich telefonisch und später durch nachrichtliche Übersendung ihres internen Schreibens vom mitgeteilt, sie habe die Beurteilung aufgehoben. Damit kann eine Entscheidung innerhalb wie außerhalb des Widerspruchsverfahrens gemeint sein. Letztlich kann die Frage, ob die Beklagte dem Widerspruchsverfahren abhelfen oder die Beurteilung außerhalb des Widerspruchsverfahrens durch Rücknahme beseitigen wollte, jedoch offenbleiben. Denn auch dann, wenn sie die dienstliche Beurteilung außerhalb des Widerspruchsverfahrens aufgehoben haben sollte, wäre sie zur Übernahme der Kosten des Vorverfahrens verpflichtet. Vermeidet die Behörde eine förmliche Entscheidung über den Widerspruch ausschließlich deswegen, weil sie bei erkannter Erfolgsaussicht des Widerspruchs den Widerspruchsführer um den zu erwartenden Kostenanspruch bringen will, so fällt ihr ein Formenmissbrauch zur Last mit der Folge, dass die behördliche Formenwahl nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unbeachtlich ist. In dieselbe Richtung weist der in § 162 Abs. 1 BGB angelegte Rechtsgedanke, wonach niemand aus einem von ihm treuwidrig verhinderten Ereignis Vorteile soll ziehen dürfen (vgl. BVerwG 4 B 65.93 - Buchholz 406.11 § 30 BBauG/BauGB Nr. 33 sowie BVerwG 8 C 24.96 - BVerwGE 102, 194 <199> = Buchholz 448.0 § 5 WPflG Nr. 25 S. 30). Unterlässt es die Behörde sachwidrig, dem Widerspruch durch eine Abhilfe- oder Widerspruchsentscheidung stattzugeben, ohne die der Kostenerstattungsanspruch des Widerspruchsführers nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ausscheidet, ist sie im Hinblick auf die Kosten so zu stellen, als wäre die Abhilfeentscheidung ergangen (vgl. Urteile vom a.a.O. S. 72 bzw. S. 13 und vom a.a.O. S. 89 bzw. S. 21).

Hier ist davon auszugehen, dass die Beklagte die dienstliche Beurteilung nur deshalb außerhalb des Widerspruchsverfahrens aufgehoben hat, weil sie der Kostenlast nach § 80 VwVfG entgehen wollte. Die von ihr angeführten Gesichtspunkte - sie sei bisher nur von Gegenvorstellungen des Klägers ausgegangen und habe die Beurteilung aus anderen als den vom Kläger vorgetragenen Gründen aufgehoben - geben keine überzeugende Begründung dafür, dass sie hier aus guten Gründen eine Aufhebungsentscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens getroffen hat. Denn wie bereits ausgeführt, hatte der Kläger tatsächlich Widerspruch eingelegt und diesen mit Argumenten begründet, die letztlich auch die Beklagte als durchgreifend angesehen hat. Die Beklagte ist daher auch in diesem Falle im Hinblick auf die Kosten so zu stellen, als wäre ihre Entscheidung als Abhilfeentscheidung ergangen. Das bedeutet, dass sie eine Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens als Kostengrundentscheidung zu treffen hat. Erst auf der Grundlage dieser Entscheidung kann der Kläger von der Beklagten die Festsetzung der ihm zu erstattenden Kosten verlangen (vgl. Urteile vom a.a.O. S. 67 bzw. S. 8 f. und vom - BVerwG 2 C 29.06 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 53 Rn. 9 und 11). Diese Kostenentscheidung kann nach Lage der Dinge gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nur lauten, dass die Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen hat.

3.

Mit der Kostenentscheidung hat die Beklagte zugleich darüber zu entscheiden, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war (§ 80 Abs. 2 VwVfG). Auch diese Frage ist zu bejahen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung zu § 80 Abs. 2 VwVfG ausgeführt, dass die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren von der Prüfung im Einzelfall abhängt und unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen ist. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts nach § 80 Abs. 2 VwVfG dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen (stRspr; vgl. BVerwG 6 B 26.03 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 51 m.w.N.).

Bei der Anfechtung einer Regelbeurteilung ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts in der Regel nicht unvernünftig. Die Regelbeurteilung ist das wichtigste Instrument der Personalauswahl. Sie dient der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Art. 33 Abs. 4 GG) durch Beamte bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung auch dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen "Klärung einer Wettbewerbssituation" zu.

Das gilt insbesondere für das die Beurteilungen abschließende Gesamturteil. Es ermöglicht den Vergleich unter den Bewerbern, auf den bei der sachgerechten Auslese zur Vorbereitung personalrechtlicher Maßnahmen (Anstellung, Übertragung höherwertiger Dienstposten, Beförderung, Einbeziehung in das Auswahlverfahren für den Aufstieg) abzuheben ist (vgl. BVerwG 2 C 16.02 - Buchholz 237.6 § 8 NdsLBG Nr. 10 S. 3). Dieses Gesamturteil ist darum die entscheidende beurteilende Bewertung durch den Dienstherrn. Das Gesamturteil bildet für die Dienstbehörde wie für den Beamten eine zuverlässige Erkenntnisquelle über den Standort des einzelnen Beamten im Leistungswettbewerb untereinander (vgl. BVerwG 2 C 21.93 - BVerwGE 97, 128 <130> = Buchholz 232.1 § 41 BLV Nr. 3 S. 3). Das Gesamturteil ist die rechtserhebliche Zusammenfassung der dienstlichen Beurteilung. Es bündelt die Bewertung von Einzelmerkmalen und enthält die für den Vergleich der Beamten untereinander maßgebende zentrale Aussage, deren Wert sich aus der Relation zu anderen Gesamturteilen ergibt (vgl. BVerwG 2 C 34.99 - BVerwGE 111, 318 <321> = Buchholz 310 § 113 Abs. 5 VwGO Nr. 2 S. 3). Angesichts dieser Bedeutung der Beurteilung, insbesondere der abschließenden Gesamtnote, entspricht die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts eher der Regel als der Ausnahme; sie ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Sachverhalt tatsächliche und rechtliche Fragen aufwirft, die sich nicht ohne Weiteres beantworten lassen. Zwar mag es Fälle geben, in denen die Fehlerhaftigkeit der Beurteilung aus Umständen herzuleiten ist, die offensichtlich sind und in denen es deshalb keiner Zuziehung eines Rechtsanwalts bedarf (versehentliche Nichtberücksichtigung eines Beurteilungsbeitrags, Schreib- oder Rechenfehler bei der Bildung der abschließenden Gesamtnote). Im vorliegenden Falle lagen aber keine derartigen Fehler vor. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger in B. befand und von dort aus Schwierigkeiten hatte, seine Rechte angemessen zu verteidigen. Schließlich spricht der bloße Zeitablauf (vom Widerspruch des Klägers am bis zur internen Aufhebung der Beurteilung vergingen mehr als zwei Monate) dafür, dass die Angelegenheit nur bei Hinzuziehung eines Rechtsanwalts angemessen gefördert werden konnte.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im Wesentlichen obsiegt hat und der Tenor der Entscheidung nur geringfügig hinter seinem Antrag zurückbleibt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren auf 489,45 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 2968 Nr. 40
MAAAD-24411