BFH Beschluss v. - III B 227/08

Übertragung von Kinderfreibeträgen; Verletzung der Unterhaltspflicht

Gesetze: EStG § 32 Abs. 6 Satz 7

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde im Mai des Streitjahres (2000) von seiner Ehefrau geschieden. Die beiden gemeinsamen, 1983 und 1985 geborenen, Söhne leben in seinem Haushalt. Die geschiedene Ehefrau ist mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig und zahlte auch keinen Unterhalt für die Söhne.

2 Die Klage, mit der die Übertragung der der —beigeladenen— geschiedenen Ehefrau zustehenden Kinderfreibeträge beansprucht wurde, weil sich diese treuwidrig nicht um eine Erwerbstätigkeit bemüht habe, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Klage sei hinsichtlich der Kirchensteuer mangels Vorverfahrens unzulässig, hinsichtlich der Einkommensteuer aber zulässig. Zwar würde sich die Einkommensteuer bei antragsgemäßer Entscheidung nach der Berechnung des FG wegen der dann gebotenen vollen Einbeziehung des Kindergeldes um 66,47 € erhöhen (§ 31 Satz 5 des EinkommensteuergesetzesEStG—), der Solidaritätszuschlag aber um 81,10 € mindern. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die geschiedene Ehefrau sei den Kindern nicht unterhaltspflichtig gewesen. Das Existenzminimum der Kinder sei durch die Gewährung von Kinderfreibeträgen an beide Eltern von der Besteuerung freigestellt worden; die steuerliche Entlastung der geschiedenen Ehefrau durch die ihr zu gewährenden Kinderfreibeträge sei größer als eine durch deren Übertragung auf den Kläger eintretende Entlastung.

3 Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, das FG habe die Klage insoweit zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, als die Festsetzung einer um 132,71 € geminderten Kirchensteuer begehrt worden sei. Es sei grundsätzlich bedeutsam, ob das (BFHE 221, 288, BFH/NV 2008, 842), wonach Einwendungen gegen die Berechnung der „fiktiven” Einkommensteuer nach § 51a Abs. 2 EStG als Grundlage für die Festsetzung der Kirchensteuer gegenüber der Kirchenbehörde und nicht gegenüber der Steuerverwaltung geltend gemacht werden müssten, ungeachtet der anders lautenden Rechtsmittelbelehrung auf den Streitfall zu erstrecken sei. Das FG habe zudem übersehen, dass bei einer Änderung der Einkommensteuer auch die Kirchensteuer von Amts wegen hätte geändert werden müssen. Von grundsätzlicher Bedeutung sei auch, ob § 32 Abs. 6 Satz 7 EStG nicht verfassungskonform dahin ausgelegt werden müsse, dass eine Übertragung des Kinderfreibetrages auch bei fehlender Unterhaltspflicht des anderen Elternteils möglich sei. Der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 des Grundgesetzes) verbiete es, einen Elternteil, dessen getrennt lebender oder geschiedener Partner sich der Unterhaltspflicht trotz vorhandener Leistungsfähigkeit erfolgreich entziehe, besser zu behandeln als denjenigen, dessen Partner von vorneherein zur Unterstützung der Kinder außerstande sei. Daraus ergäbe sich auch eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung sogenannter Patchworkfamilien nach Wiederheirat geschiedener Eheleute.

4 II. Die Beschwerde ist durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Sie ist hinsichtlich der Kirchensteuer unzulässig und hinsichtlich der Einkommensteuer unbegründet.

5 1. Der Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung nur einen Antrag zur Einkommensteuer, nicht aber auch zur Kirchensteuer gestellt; das FG-Urteil gibt auch nur diesen, die Einkommensteuer betreffenden Antrag wieder. Da das FG in seinem Urteil über das Klagebegehren nicht hinausgehen durfte (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), kann über die Kirchensteuer nicht entschieden werden, so dass die Zulassung der Revision insoweit nicht in Betracht kommt (§ 115 Abs. 2 FGO).

6 2. Der Frage, ob der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines zu berücksichtigenden Kindes auch dann gemäß § 32 Abs. 6 Satz 7 EStG der im Streitjahr geltenden Fassung (jetzt § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG) auf einen Elternteil übertragen werden kann, wenn er seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachkommt, und der andere, das Kind nicht betreuende Elternteil mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt schuldet und daher seine Unterhaltspflicht nicht verletzt, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Denn sie ist durch die Rechtsprechung bereits geklärt (, BFHE 184, 60, BStBl II 1998, 329; vom VI R 148/97, BFH/NV 2000, 1194; vom VIII R 11/04, BFH/NV 2005, 343). Dies beruht auf der Erwägung, dass es auf die konkrete Höhe der Unterhaltsverpflichtung der Elternteile ankommt, die sich in erster Linie aus gerichtlichen Titeln oder sonstigen Vereinbarungen ergibt und im Übrigen nach § 1603 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu ermitteln ist und auch von der Leistungsfähigkeit des Elternteils abhängt.

7 Durch das BFH-Urteil in BFHE 184, 60, BStBl II 1998, 329 ist auch geklärt, dass eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten ist. Denn auch einem nicht unterhaltspflichtigen Elternteil können freiwillige Aufwendungen für das Kind entstehen; es wäre dann unbillig, ihm den Kinderfreibetrag nur wegen fehlender Unterhaltspflicht zu nehmen. Im Übrigen hängt die Gewährung von Kinderfreibeträgen nicht stets von einer Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern ab; auch Eltern, die beide nicht unterhaltspflichtig sind oder zwar unterhaltspflichtig sind, aber keinen Unterhalt leisten, erhalten die Kinderfreibeträge. Dem Vortrag des Klägers lässt sich nicht entnehmen, warum eine erneute Befassung des BFH mit dieser Frage geboten erscheint.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 639 Nr. 4
PAAAD-38563