PiR Nr. 5 vom Seite 1

Die Nonchalance der Rechnungsleger

WP/StB Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Unsere PiR trägt nicht umsonst die „Praxis“ in ihrem Titel. Die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards durch die Bilanzierer und ihre Prüfer darf und soll deshalb immer wieder in unseren Fokus-Beiträgen ausführlich Berücksichtigung finden. Dazu gehört die empirische Untersuchung über die Verhaltensweise der Rechnungsleger vor dem Hintergrund der anzuwendenden Regeln. Das IASB hat verdienstvollerweise einen Arbeitsschritt post implementation review eingeführt, um nach dem Erlass eines neuen Standards die Reaktionen der Anwender zu testen.

In unserem Fokus-Beitrag von Jörg Bösser, Jochen Pillhofer und Gerd Winterling treten doch sehr überraschende Erkenntnisse über den Umgang der Rechnungsleger mit (scheinbar) grundlegend neuen Standards zutage. Es geht um das consolidation package sowie den neuen Standard 13 fair value measurement. Gerade zum Thema der Konsolidierung ist im fachliterarischen Blätterwald ausführlichst produziert worden, insbesondere auch hinsichtlich der Konsolidierungspflicht von Zweckgesellschaften – immer noch im unseligen Angedenken an Enron und Co. In der Praxis geht man mit den neuen Regeln sehr gelassen um, man sieht keinen großen Änderungsbedarf und die fachliterarisch immer so schön betonte „Herausforderung“, denen die Anwender und andere Leute ausgesetzt sind, stellt sich eher als business as usual dar.

Im weiteren Fokus-Beitrag von Georg Anders wird ein Teilbereich aus dem consolidation package aufgegriffen, nämlich die equity-Bilanzierung , deren Charakterisierung seit jeher streitig ist: Handelt es sich um eine Konsolidierungs- oder um eine Bewertungsmethode oder gar um ein Drittes? Der Standardsetter konnte sich jedenfalls nicht auf eine der Methoden festlegen. Im Ergebnis „schwanken“ die beiden konzeptionellen Grundlagen durch den Standard mit der Folge ungeklärter Vorgehensweisen bei Regelungslücken, was dann in der Praxis sehr schnell in faktische Wahlrechte ausartet. Besonders instruktiv sind die Überlegungen unseres Autors bezüglich der alternativen „Vollkonsolidierung“ statt der equity-Methode. Das Beispiel der Coca Cola-Company auf S. 142 des Beitrags verdient eine besondere Beachtung.

Innerhalb der Rubriken dieser Ausgabe ist auf das CONTRA von Jens Freiberg und dort zur allgemeinen Aussage über den Gläubigerschutz zu verweisen. Die Ausschüttungsbegrenzungsfunktion des HGB wird seit jeher wie ein Fetisch im Schrifttum verkündet. Betrachtet man die Empirie, so sieht die Gefährdung der Gläubiger ganz anders aus: Sie werden durch Missmanagement und manchmal bewusste Fälschungen an der Nase herumgeführt. Man muss sich nur der Mühe der Lektüre in der Tagespresse von einschlägigen Insolvenzverfahren unterziehen. An übermäßigen Ausschüttungen ist noch keine Gesellschaft kaputtgegangen. Werden die Gläubiger nicht am besten durch eine ungeschminkte Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens geschützt, wenn schon der Jahresabschluss hier Hilfestellung leisten soll?

Beste Grüße

Wolf-Dieter Hoffmann

Fundstelle(n):
PiR 5/2014 Seite 1
NWB KAAAE-63128