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FG München Urteil v. - 3 K 385/13 EFG 2016 S. 1045 Nr. 13

Gesetze: AO § 30, AO § 91 Abs. 1, AO § 364, AO § 5, GG Art. 19 Abs. 4, GG Art. 20 Abs. 3, FGO § 102, FGO § 78

Grundsätzlich kein Anspruch eines Unternehmens auf Einsicht in die Akten des FA

gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung über einen Antrag auf Einsicht in die Akten des FA während einer laufenden Umsatzsteuerprüfung

Leitsatz

1. Das in der Abgabenordnung geregelte Verfahrensrecht im Besteuerungsverfahren enthält keine Regelung, die dem Steuerpflichtigen ein Recht auf die Einsicht in die von den Finanzbehörden geführten Akten einräumt. Dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter steht aber ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zu.

2. Daraus, dass die gesetzlichen Vorschriften der AO eine Akteneinsicht im steuerlichen Verwaltungsverfahren überhaupt nicht vorsehen, ist abzuleiten, dass die Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren nur in Ausnahmefällen in Frage kommt. Das ist bei einer Beurteilung des ausgeübten Ermessens zu berücksichtigen, weil die jeweilige Ermächtigungsvorschrift die gesetzlichen Grenzen des Ermessens normiert.

3. In einem umfassenden steuerlichen Prüfungsverfahren liegt es auf der Hand, dass davon auch die steuerlichen Verhältnisse Dritter – und damit das nach § 30 AO zu beachtende Steuergeheimnis – betroffen sind.

4. Das FA ist nicht verpflichtet, dem Gericht Akten oder Aktenteile zu übermitteln, um deren Einsichtnahme im finanzgerichtlichen Verfahren gestritten wird.

5. Das Gericht kann eine behördliche Ermessensentscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht gem. § 102 FGO nur daraufhin überprüfen, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, die Grenzen ihres Ermessens überschritten oder dieses Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise ausgeübt hat.

6. Der Anspruch des „Einsichtsuchenden” auf fehlerfreie Ermessensentscheidung ist bereits dann gewahrt, wenn das FA im Rahmen einer Interessenabwägung dessen Belange und die der Behörde gegeneinander abgewogen hat. Eine Überprüfung der Ermessensentscheidung durch das Gericht ist dabei nur möglich, wenn die Finanzbehörde den zu beurteilenden Sachverhalt umfassend ermittelt und die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art mitgeteilt hat.

7. Es bleibt offen, ob das FA seine Ermessenserwägungen tatsächlich darauf stützen dürfte, dass die Verfolgung zivilrechtlicher Haftungsansprüche gegen ein Bundesland oder einen Mitarbeiter keine Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren rechtfertige, weil es sich hierbei um außersteuerliche Gründe handele. Dieser „Ausschlussgrund” könnte möglicherweise gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, weil sich der Staat damit generell unter Berufung auf ein Ausforschungsverbot berechtigten zivilrechtlichen Ansprüchen entziehen könnte.

Tatbestand

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
EFG 2016 S. 1045 Nr. 13
BAAAF-76364

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