BAG Urteil v. - 9 AZR 350/15

Instanzenzug: ArbG Stralsund Az: 3 Ca 528/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 3 Sa 110/14 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen unterlassener Insolvenzsicherung des Wertguthabens aus Altersteilzeit im Blockmodell.

2Die V GmbH wurde mit Wirkung zum auf die P GmbH zur P + S GmbH (im Folgenden Schuldnerin) verschmolzen. Die Beklagten waren Geschäftsführer der Schuldnerin, der Beklagte zu 1. vom bis zum , der Beklagte zu 2. seit dem und der Beklagte zu 3. vom bis zum . Das von der Schuldnerin am beantragte Insolvenzverfahren wurde am eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich neben dem Kläger weitere 135 Arbeitnehmer der Schuldnerin in Altersteilzeit im Blockmodell. Der Kläger hatte am mit der damaligen V GmbH einen am selben Tag beginnenden Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell geschlossen. Die Freistellungsphase sollte am beginnen. Wegen der bevorstehenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde das Altersteilzeitarbeitsverhältnis im September 2012 rückabgewickelt. Mit Ablauf des schied der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin aus.

3Die P GmbH hatte mit einer Versicherung, der R AG, und die V GmbH mit einer Bank einen Vertrag zur Insolvenzsicherung der Wertguthaben geschlossen. Nachdem im September 2011 Wirtschaftsberater der Schuldnerin darauf hingewiesen hatten, dass durch die Zusammenführung der beiden unterschiedlichen Insolvenzsicherungen Liquidität gewonnen werden könne, nahm die Schuldnerin entsprechende Verhandlungen mit der R AG auf. Die von der P GmbH und der V GmbH abgeschlossenen Verträge zur Insolvenzsicherung wurden im Verlauf dieser Verhandlungen beendet. Ob zwischen der Schuldnerin und der R AG vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine neue Insolvenzsicherung der Wertguthaben durch eine Globalbürgschaft aufgrund einer Kautionsversicherung zustande gekommen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

4Der vom Amtsgericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter einigte sich am mit der R AG darauf, dass diese Schadensersatzforderungen der 136 Arbeitnehmer in Altersteilzeit im Umfang von 3,8 Mio. Euro ankauft und im Gegenzug zunächst 2,66 Mio. Euro zur Verfügung stellt. Dieser Betrag sollte unter Berücksichtigung des jeweiligen Anteils an der Gesamtforderung an die Arbeitnehmer mit einem Wertguthaben aus Altersteilzeit ausgezahlt werden, wenn diese ihre Schadensersatzforderungen gequotelt im Verhältnis zur Summe von 3,8 Mio. Euro an die R AG abtreten. Der Kläger unterschrieb - ebenso wie seine 135 Kolleginnen und Kollegen mit einem Wertguthaben aus Altersteilzeit - die Abtretungsvereinbarung im Dezember 2012, die R AG unterzeichnete diese im Januar 2013. Mit Abtretungserklärung vom trat der Insolvenzverwalter vermeintliche Ansprüche der Schuldnerin gegen die Beklagten im Zusammenhang mit der streitigen Insolvenzsicherung zugunsten der 136 betroffenen Arbeitnehmer an die R AG ab.

5Mit Schreiben vom forderte der Kläger die Beklagten erfolglos auf, an ihn Schadensersatz Zug um Zug gegen Abtretung der zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung zu leisten. Er hat dazu die Auffassung vertreten, eine Bürgschaftsverpflichtung der R AG sei vor der Insolvenzeröffnung nicht zustande gekommen. Die Geschäftsführeranstellungsverträge der Beklagten seien Verträge mit Schutzwirkung zugunsten der Altersteilzeitarbeitnehmer mit Wertguthaben. Zudem hafteten die Beklagten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation. Jedenfalls folgten die Ansprüche aus § 7e Abs. 7 Satz 2 SGB IV. Der Wortlaut des § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AltTZG hindere die Anwendung dieser Vorschrift nicht. Dem Anwendungsausschluss unterfalle nicht die in § 7e Abs. 7 Satz 2 SGB IV normierte Organhaftung. Ein anderes Auslegungsergebnis sei mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.

6Der Kläger hat behauptet, das gesamte abzusichernde Wertguthaben aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Schuldnerin belaufe sich auf 38.394,09 Euro. Hiervon seien mit der Vereinbarung vom / 27.560,28 Euro abgetreten worden, sodass sich eine Differenz in Höhe von 10.833,81 Euro ergebe. Bei der Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle sei berücksichtigt worden, dass die Sozialversicherungsbeiträge von den Sozialversicherungsträgern angemeldet worden seien. Daher habe der Kläger nur einen Betrag von 9.045,45 Euro zur Insolvenztabelle angemeldet. Die Differenz in Höhe von 1.788,36 Euro sei von den Sozialversicherungsträgern zur Tabelle angemeldet worden.

7Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Die Nebenintervenientin hat sich den Anträgen des Klägers angeschlossen.

9Die Beklagten haben zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, ihre Haftung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil ein geeigneter und ausreichender Insolvenzschutz bestanden habe und sie einen etwaigen Schaden der Altersteilzeitarbeitnehmer mit einem Wertguthaben nicht zu vertreten hätten.

10Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren größtenteils weiter. Soweit der Kläger ursprünglich auch die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, hat er die Klage in der Revisionsverhandlung mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen. Die Nebenintervenientin hat sich den Revisionsanträgen des Klägers angeschlossen.

Gründe

11Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten der mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Deshalb ist auch der Klageantrag zu 2. unbegründet.

12I. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die aufgelöste Insolvenzsicherung des Wertguthabens vor der Insolvenzeröffnung wirksam ersetzt wurde. Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass keine neue Insolvenzsicherung zustande gekommen ist.

13II. Die Beklagten haften nicht für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber dem Kläger aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis. § 13 Abs. 2 GmbHG regelt, dass für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Ein Geschäftsführer einer GmbH haftet für deren Verbindlichkeiten deshalb nur dann persönlich, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 22, BAGE 133, 213). An einem solchen besonderen Haftungsgrund fehlt es. Dies hat der Senat in den Entscheidungsgründen des Urteils im Verfahren - 9 AZR 293/15 - näher ausgeführt ( - Rn. 14 ff.).

141. Für eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung der Beklagten, sie hafteten abweichend von der gesetzlichen Haftungsbeschränkung in § 13 Abs. 2 GmbHG persönlich für Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit dem Kläger, fehlt jeder Anhaltspunkt.

152. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, dass es sich bei den Geschäftsführeranstellungsverträgen der Beklagten mit der Schuldnerin nicht um Verträge mit Schutzwirkung zugunsten der Altersteilzeitarbeitnehmer mit Wertguthaben handelt (ausf.  - Rn. 16 ff.).

163. Das Landesarbeitsgericht hat keine Tatsachen festgestellt, die auf einen zumindest bedingten Vorsatz der Beklagten für eine sittenwidrige Schädigung der Altersteilzeitarbeitnehmer mit Wertguthaben hindeuten und einen Anspruch aus § 826 BGB begründen könnten (zu den Voraussetzungen des § 826 BGB näher  - Rn. 24 ff.). Der Kläger hat solche Tatsachen auch nicht behauptet.

174. Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht. Ein Wertguthaben ist kein sonstiges Recht iSv. § 823 Abs. 1 BGB (st. Rspr., zB  - Rn. 32, BAGE 133, 213; - 9 AZR 206/06 - Rn. 27 ff.; grundlegend  - zu B III 1 der Gründe).

185. Die Beklagten haben kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB verletzt (umfassend  - Rn. 23 ff.).

196. Entgegen der Ansicht der Revision kann der Kläger seine Ansprüche gegen die Beklagten auch nicht aus den gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen der Drittschadensliquidation herleiten (näher  - Rn. 27 ff.).

207. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass § 7e Abs. 7 Satz 2 SGB IV keine Haftung der Beklagten begründet. Die Anwendung dieser Vorschrift auf Altersteilzeitwertguthaben schließt § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AltTZG aus. Entgegen der Auffassung der Revision betrifft dieser Anwendungsausschluss alle in § 7e SGB IV getroffenen Regelungen und damit auch die in § 7e Abs. 7 Satz 2 SGB IV angeordnete Haftung der organschaftlichen Vertreter (ausf.  - Rn. 30 ff.).

21III. Das Verfahren war nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Nach Auffassung des Senats ist der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch den Anwendungsausschluss in § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AltTZG nicht verletzt (näher  - Rn. 43 ff.).

22IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:230216.U.9AZR350.15.0

Fundstelle(n):
PAAAF-76462