BFH Urteil v. - V R 64/01

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die durch ihren Alleingesellschafter und Geschäftsführer, den Kfz-Meister X, mit notariell beurkundeter Satzung vom gegründet und am in das Handelsregister eingetragen wurde. Gegenstand ihres Unternehmens ist u.a. die Reparatur und der Handel mit Kfz. Hierzu pachtete sie ”mit Vertrag vom ” eine Kfz-Werkstatt.

In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 1998 machte sie u.a. die ihr in der Rechnung vom für die Lieferung eines Motordiagnosegerätes (Kaufpreis 16 500 DM) in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 2 640 DM als Vorsteuerbetrag geltend. Die vom ”Kfz-Meisterbetrieb” X ausgestellte Rechnung ist an die…GmbH i.G. adressiert.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) versagte den von der Klägerin in der Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 1998 geltend gemachten Vorsteuerabzug, weil im Zeitpunkt des Leistungsbezugs und der Rechnungserteilung die Satzung über die Gründung der Klägerin noch nicht beurkundet gewesen sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1327 veröffentlicht. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, vor Beurkundung der Satzung habe eine Vorgründungsgesellschaft bestanden. Zwischen der Vorgründungsgesellschaft und der späteren GmbH bestehe zwar —anders als im Verhältnis zur Vorgesellschaft— zivilrechtlich keine rechtliche Einheit. Diese Differenzierung des nationalen Gesellschaftsrechts sei für das Umsatzsteuerrecht jedoch nicht zwingend. Nach Gemeinschaftsrecht dürfe einem Steuerpflichtigen, der Vorsteuerbeträge aus Leistungsbezügen für seine wirtschaftliche Tätigkeit geltend mache, wegen des Gebots der Neutralität der Umsatzsteuer der Vorsteuerabzug nicht versagt werden. Die Vorgründungsgesellschaft selbst habe aber kein Recht auf Vorsteuerabzug, weil sie nicht Unternehmer sei; sie übe keine ”wirtschaftliche Tätigkeit” i.S. des Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) aus; ihre Tätigkeit sei nicht auf Leistungen nach § 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgerichtet. Der Vorsteuerabzug für an die Vorgründungsgesellschaft erbrachte Leistungen stehe deshalb der Kapitalgesellschaft zu, sobald diese entstanden sei.

Am erließ das FA den Umsatzsteuerjahresbescheid für 1998. Dieser Bescheid ist nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) n.F. Gegenstand des Verfahrens geworden.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG.

Aus dem Umstand, dass der Einzelunternehmer X als Verkäufer das Gerät zum künftigen Betriebsgelände der Klägerin verbracht habe, sei zu schließen, dass er es nicht mehr für Zwecke seines Unternehmens verwenden wollte. Es liege also eine Entnahmehandlung vor, weil X das Gerät in seine Privatsphäre überführt habe. Der spätere Einbringungsvorgang aus diesem nichtunternehmerischen Bereich berechtige aber nicht zum Vorsteuerabzug.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Der Unternehmer kann gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Der Vorsteuerabzug steht dem Unternehmer zu, der als Leistungsempfänger eine auf ihn lautende Rechnung mit gesondert ausgewiesener Steuer besitzt (vgl. , BFHE 194, 270).

2. Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Lieferung des Motordiagnosegeräts ”im Rahmen der Vorgründungsgesellschaft” erfolgt sei. Denn eine die (spätere) Gründung der juristischen Person vorbereitende Gesellschaft setzt den entsprechenden Zusammenschluss mindestens zweier Gesellschafter voraus (, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2698, zu I.).

3. Die Sache ist nicht spruchreif, denn die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung.

a) Der Vorsteuerabzug der Klägerin scheitert allerdings nicht schon daran, dass der (Kauf-)Vertrag über das Motordiagnosegerät vor Errichtung der Klägerin geschlossen wurde; dieser war zivilrechtlich entsprechend § 177 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zwar zunächst schwebend unwirksam, weil die Klägerin —auch als Vorgesellschaft (vgl. BGH-Urteil in NJW 1992, 2698)— noch nicht existierte (vgl. , BGHZ 63, 45, zu 1. c, und vom II ZR 276/83, BGHZ 91, 148, zu 3.), der Vertrag könnte aber durch —auch stillschweigend mögliche (, Deutsches Steuerrecht 1997, 459, zu 3.)— Genehmigung (rückwirkend) wirksam geworden sein (§ 184 Abs. 1 BGB; vgl. , BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35, zu II. 3., a.E.). Umsatzsteuerrechtlich kommt deshalb in Betracht, dass die Klägerin nach ihrer Entstehung als juristische Person (vgl. §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) mit Genehmigung des Vertrages auch Verfügungsmacht an dem Motordiagnosegerät erlangt hat (vgl. § 3 Abs. 1 UStG, und , BFHE 125, 212, BStBl II 1978, 486, und in BFHE 194, 270, zu II. 2., m.w.N.). Insoweit hat das FG keine Feststellungen getroffen.

b) Weil ausweislich der Rechnung der Alleingesellschafter der Klägerin selbst als Einzelunternehmer eine Kfz-Reparaturwerkstatt mit Kfz-Handel betrieben und das Motordiagnosegerät an die ”GmbH i.G.” veräußert hat, ist aber nicht auszuschließen, dass der streitige Umsatz im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen (vgl. § 1 Abs. 1 a UStG) erfolgt ist. Liegt keine Geschäftsveräußerung vor, besteht die Möglichkeit, dass die Klägerin als Organgesellschaft in das weiterhin bestehende Unternehmen des X eingegliedert war (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, und BFH-Urteil in BFHE 125, 212, BStBl II 1978, 486, zu 1.). In beiden Fällen wäre die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar. Auch insoweit fehlen entsprechende Feststellungen des FG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1181 Nr. 9
DStRE 2002 S. 1257 Nr. 20
UR 2003 S. 92 Nr. 2
IAAAA-68511