BGH Beschluss v. - VIII ZA 4/19

Auslegung der begehrten Fristverlängerung bei datiertem Fristverlängerungsantrag

Leitsatz

Bei einem Fristverlängerungsantrag, der sich bis zu einem bestimmten Datum richtet, ist regelmäßig nicht anzunehmen, dass abweichend vom Wortlaut eine nach den jeweiligen Vorschriften grundsätzlich mögliche weitergehende Fristverlängerung begehrt wird (im Anschluss an , NJW-RR 1994, 568 unter II 1 a).

Gesetze: § 78 Abs 1 S 1 ZPO, § 130 Nr 6 ZPO, § 224 Abs 2 ZPO, § 520 Abs 2 S 2 ZPO, § 520 Abs 2 S 3 ZPO, § 520 Abs 5 ZPO

Instanzenzug: Az: 24 U 3486/18vorgehend LG Augsburg Az: 91 O 2709/17

Gründe

I.

1Mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 14.428,58 € nebst Zinsen zu zahlen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten ausweislich zweier Empfangsbekenntnisse am zugestellte Urteil hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt.

2Am hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufungsbegründungsfrist "um einen Monat bis " zu verlängern. Durch Verfügung des Vorsitzenden vom ist diesem Antrag entsprochen worden.

3Am sind ein mit "Antrag auf Prozesskostenhilfe und Berufungsentwurf" sowie ein mit "Berufung" überschriebener Schriftsatz bei Gericht eingegangen; letzterer enthält Sachanträge. Beide Schriftsätze sind nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift versehen.

4Auf einen Hinweis des Gerichts, wonach beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am eine im Original unterzeichnete Berufungsbegründung eingereicht und ausgeführt, er habe zuvor keinen Entwurf einer Berufungsbegründung, sondern eine solche im Original vorgelegt. Höchst hilfsweise hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

5Mit Schriftsatz vom hat der Beklagtenvertreter geltend gemacht, die Frist zur Berufungsbegründung sei nicht am , sondern am abgelaufen. Ihm sei das erstinstanzliche Urteil nicht bereits am , sondern erst am zugestellt worden, so dass die Berufungsbegründungsfrist bis zum Montag, den gelaufen sei. Demzufolge sei sein Antrag auf Fristverlängerung dahin zu verstehen gewesen, dass er eine solche bis zum beantragt habe.

6Das den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

7Die Berufung sei nicht fristgerecht begründet worden. Dabei komme es nicht darauf an, ob das angegriffene Urteil dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am oder - nach seinem Vorbringen - erst am zugestellt worden sei. Entscheidend sei, dass dieser eine Fristverlängerung über den hinaus nicht beantragt habe.

8Innerhalb der antragsgemäß bis zum verlängerten Berufungsbegründungsfrist sei eine den Formerfordernissen genügende Berufungsbegründung nicht eingegangen. Die auf den Schriftsätzen vom enthaltenen Unterschriften seien erkennbar fotokopiert oder per Scan eingefügt worden. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten behaupte auch nicht, er habe die Schriftsätze eigenhändig unterschrieben, sondern berufe sich lediglich auf eine eigenhändige Herstellung und einen eigenhändigen Ausdruck der Schriftsätze. Da der Bevollmächtigte beide Schriftsätze nicht per Fax versandt, sondern in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen habe, hätten diese per Hand unterschrieben werden müssen, woran es fehle. Der - im Original unterzeichnete - Schriftsatz vom sei nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen.

9Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe keinen Erfolg, da der Bevollmächtigte des Beklagten seiner Pflicht, die Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift eigenverantwortlich zu überwachen, nicht nachgekommen sei.

10Zur Einlegung einer Rechtsbeschwerde hiergegen beantragt der Beklagte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II.

11Die beantragte Prozesskostenhilfe ist zu versagen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 ZPO). Eine noch einzulegende Rechtsbeschwerde wäre nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwar statthaft, jedoch gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Entgegen der Auffassung des Beklagten verletzt der anzufechtende Beschluss nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche des Beklagten auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG, NZA 2016, 122 Rn. 10; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rn. 1; vom - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 9; vom - VIII ZB 70/17, NJW-RR 2018, 1325 Rn. 9).

12Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 233 Satz 1, § 520 Abs. 2 ZPO) zurückgewiesen und demgemäß auch die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen.

131. Die Berufung war, was sowohl vom Berufungs- als auch vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 224/16, NJW 2017, 2285 Rn. 19; Senatsbeschluss vom - VIII ZB 35/17, juris Rn. 11), gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil der Beklagte sie entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig begründet hat.

14a) Die Frist zur Begründung der Berufung lief - nach antragsgemäßer Verlängerung - am ab.

15aa) Der entsprechende Antrag des Beklagten ist eindeutig auf eine Verlängerung bis zu diesem Datum gerichtet und schöpft die ausgehend von der durch die Empfangsbekenntnisse dokumentierten Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung höchstmögliche Fristverlängerung von einem Monat (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO) in Gänze aus.

16Entgegen der Ansicht des Beklagten musste das Berufungsgericht seinen Antrag - entgegen dem ausdrücklich formulierten Begehren - nicht dahingehend auslegen, dass er um eine Fristverlängerung bis zum nachgesucht habe, da "erkennbar" gewesen sei, dass die Berufungsbegründungsfrist infolge der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils (erst) am am abgelaufen sei, so dass sich der Fristverlängerungsantrag "um einen Monat" auf den bezogen habe.

17Zwar sind auch Fristverlängerungsanträge einer Auslegung zugänglich (vgl. , NJW-RR 1994, 568 unter II 1 a). Die Auslegung führt hier aber - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - eindeutig dazu, dass der Beklagtenvertreter eine Fristverlängerung nur bis zu dem ausdrücklich benannten Datum begehrt hat. Relevante Anhaltspunkte dafür, dass das landgerichtliche Urteil dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst am zugestellt worden wäre und der Beklagte mit seinem Antrag somit nicht die längstmögliche Fristverlängerung von "einem Monat" begehrt hätte, sind nicht vorhanden.

18bb) Selbst wenn man im Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom einen weitergehenden Fristverlängerungsantrag bis zum - wie hier nicht - sehen wollte, wäre dieser mit der gewährten Fristverlängerung bis (lediglich) zum stillschweigend abgelehnt worden.

19Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende Partei gerichtet ist. Verlängert der Vorsitzende die Berufungsbegründungsfrist für eine kürzere Zeit als beantragt, liegt darin in aller Regel zugleich die (stillschweigende) Ablehnung des weitergehenden Antrags (vgl. , NJW 2015, 1966 Rn. 12). Hiernach ist die Verfügung des Vorsitzenden nach ihrem objektiven Inhalt eindeutig dahin zu verstehen, dass die Frist für die Berufungsbegründung - unter abschließender Verbescheidung des Antrags - lediglich bis zum verlängert und ein etwaiger weitergehender Antrag stillschweigend abgelehnt worden ist.

20b) Innerhalb der somit bis zum laufenden Frist wurde keine formwirksame Berufungsbegründung eingereicht. Die lediglich mit einer eingescannten Unterschrift versehenen Schriftsätze genügen nicht den Formanforderungen.

21Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6, § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 unter III 2 a aa; vom - III ZB 88/18, NJW-RR 2019, 441 Rn. 8; vom - XII ZB 573/18, NJW 2019 Rn. 10 [zu § 519 ZPO aF]). Zutreffend ist das Berufungsgericht hiernach davon ausgegangen, dass die lediglich eingescannte Unterschrift diesen Formanforderungen bei dem im Original eingereichten Schriftsatz vorliegend nicht genügt (vgl. , NJW 2015, 3246 Rn. 12; vgl. demgegenüber zum Computer-Fax GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, 164; , NJW 2005, 2086 unter B II 1 b; Beschluss vom - XI ZB 40/05, NJW 2006, 3784 Rn. 11). Zum Nachweis der Urheberschaft reicht allein der persönliche Einwurf in den Gerichtsbriefkasten nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 1/80, VersR 1980, 765; vom - VII ZB 31/82, juris Rn. 4; zur hier nicht vorgebrachten anderweitigen Behebung des Unterschriftsmangels vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZB 35/17, aaO Rn. 15).

222. Schließlich hat das Berufungsgericht dem Beklagten zutreffend eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung versagt (§ 233 Satz 1 ZPO), da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Berufungsbegründungsfrist ohne Verschulden versäumt worden ist.

23a) Wird die Berufungsbegründungsfrist versäumt, weil - wie vorliegend - innerhalb der laufenden Frist ein nicht unterschriebener und damit zur Einhaltung der Frist nicht geeigneter Schriftsatz bei dem Gericht eingegangen ist, ist grundsätzlich von einem dem Berufungskläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden auszugehen, da es zur Pflicht eines Rechtsanwalts gehört, für einen mangelfreien Zustand der ausgehenden Schriftsätze zu sorgen, wozu die gemäß § 130 Nr. 6 ZPO zu leistende Unterschrift gehört (vgl. , NJW 2016, 718 Rn. 10 mwN). Dieses Verschulden ist jedoch dann nicht rechtlich erheblich, wenn alle erforderlichen Schritte unternommen wurden, die bei normalem Ablauf der Dinge mit Sicherheit dazu führen würden, dass die Frist gewahrt werden kann. In der Rechtsprechung ist deshalb anerkannt, dass bei fehlender Unterzeichnung der bei Gericht fristgerecht eingereichten Rechtsmittel-(Begründungs-)schrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, wenn der Prozessbevollmächtigte sein Büropersonal allgemein angewiesen hatte, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Absendung auf das Vorhandensein der Unterschrift zu überprüfen. Da die Unterschriftenkontrolle - die der Rechtsanwalt zuverlässigen Bürokräften überlassen darf (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZB 31/88, NJW 1989, 589 unter 2 b) - gerade der Vermeidung eines erfahrungsgemäß nicht gänzlich ausschließbaren Anwaltsversehens bei der Unterschriftsleistung dient, ist bei einem Versagen einer solchen Kontrolle ein Rückgriff auf ein Anwaltsversehen im Zusammenhang mit der Unterzeichnung ausgeschlossen (vgl. , NJW 1996, 998 unter II 2 b; Beschluss vom - VI ZB 15/14, NJW 2014, 2961 Rn. 9; jeweils mwN).

24b) Der Beklagtenvertreter hat vorliegend jedoch weder zur Unterschriftenkontrolle im Einzelfall noch zum Bestehen einer - vorstehend dargestellten - Anweisung in seinem Büro vorgetragen. Im Gegenteil hat er erklärt, er habe für die Versendung von Schriftsätzen per Computerfax eine Unterschrift eingescannt, die er beim Ausdruck des Originals meistens entferne und dann per Hand unterschreibe. Manchmal unterbleibe dies aber auch wegen eines Versehens.

25c) Dass die Fristversäumung mit Rücksicht darauf unverschuldet gewesen sei, dass der Beklagte wegen seiner Bedürftigkeit vor der Bewilligung rechtzeitig beantragter Prozesskostenhilfe einen zur Begründung der Berufung bereiten Rechtsanwalt nicht habe finden können, hat er in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom selbst nicht geltend gemacht. Vielmehr hat sein Prozessbevollmächtigter dort vorgetragen, dass bereits mit dem am eingereichten Schriftsatz eine wirksame Berufungsbegründung erfolgen sollte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:261119BVIIIZA4.19.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 9 Nr. 10
NJW-RR 2020 S. 313 Nr. 5
ZAAAH-41876