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FG des Saarlandes Beschluss v. - 2 V 1042/20 EFG 2020 S. 908 Nr. 13

Gesetze: FGO § 69 Abs. 2 S. 2, FGO § 69 Abs. 3 S. 1, FGO § 69 Abs. 4 S. 1, FGO § 102 S. 1, EStG § 42d Abs. 1, AO § 191 Abs. 1 S. 1, AO § 5, AO § 364, AO § 366, GG Art. 103 Abs. 1

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines unter anderem auf dem Steuerpflichtigen nicht bekannten Unterlagen der Steuerfahndung beruhenden Lohnsteuerhaftungsbescheids bei unterbliebener Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen im Einspruchsverfahren

Inhalt, Umfang des Anspruchs nach § 364 AO und Konkurrenz zum Anspruch auf Akteneinsicht

Leitsatz

1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines aufgrund von Feststellungen der Steuerfahndung ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheids, wenn der Bericht der Steuerfahndung hinsichtlich der zentralen Feststellungen auf dem Steuerpflichtigen nicht bekannte Beweismittelordner und Anlagen Bezug nimmt, diese Feststellungen in dem Bericht selbst nur knapp zusammengefasst enthalten sind, das Finanzamt dem im Einspruchsverfahren gestellten Antrag des Steuerpflichtigen, ihm die Besteuerungsunterlagen gemäß § 364 AO mitzuteilen, nicht nachgekommen ist und der Steuerpflichtige somit keine Möglichkeit hatte, Kenntnis von den Besteuerungsunterlagen zu nehmen.

2. Unterlagen im Sinne des § 364 AO sind alle Beweismittel und Beweisergebnisse im weiteren Sinne, die geeignet sind, das Ergebnis des Verfahrens zu beeinflussen. Darunter fallen alle Schriftstücke und Daten, insbesondere alle Beweismittel und Beweisergebnisse, wie etwa Zeugenaussagen, Bewertungs- und Schätzungsunterlagen, Berechnungsgrundlagen und Amtshilfemitteilungen jeglicher Art.

3. Dem als Haftenden in Anspruch Genommenen ist der Akteninhalt auf Antrag – oder von Amts wegen, wenn die Einspruchsbegründung dazu Anlass gibt – insoweit zugänglich zu machen, als die zu offenbarenden Verhältnisse für die Heranziehung als Haftender erheblich sein können.

4. Der Anspruch aus § 364 AO und der Anspruch auf Akteneinsicht stehen grundsätzlich selbständig nebeneinander. Zwar kann der Mitteilungsanspruch mit Einverständnis des Beteiligten auch durch die Gewährung der Akteneinsicht erfüllt werden, solange allerdings noch keine Akteneinsicht genommen worden ist, ist das Rechtsschutzbedürfnis des Beteiligten für einen Antrag im Sinne des § 364 AO nicht entfallen. Ungeachtet dessen lässt selbst eine erfolgte Akteneinsichtnahme im Strafverfahren das Rechtsschutzbedürfnis nicht grundsätzlich entfallen.

5. Das Einspruchsverfahren leidet, wenn und solange die Finanzbehörde der Mitteilung nach § 364 AO nicht nachkommt, an einem Verfahrensmangel, der sich indes erst mit Erlass der Einspruchsentscheiddung manifestiert. Die Verletzung der Mitteilungspflicht führt zur Rechtswidrigkeit der Einspruchsentscheidung, sofern diese nicht nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO durch eine Nachholung der Anhörung geheilt wird.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EFG 2020 S. 908 Nr. 13
QAAAH-54259

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