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BBK Nr. 19 vom Seite 922

Neufassung der Pauschbeträge für Sachentnahmen 2020

Dr. Volker Endert

Bei [i]BMF, Schreiben v. 27.8.2020 - IV A 4 - S 1547/19/10001 :001 NWB NAAAH-56966 Gewerbebetrieben, in denen Nahrungsmittel und Getränke verkauft werden, spricht der Anschein für eine Entnahme des Betriebsinhabers für sich selbst und Familienangehörige. Grundsätzlich sind Steuerpflichtige hierbei gehalten, die einzelnen Entnahmen in der Buchführung genau zu dokumentieren. Zur Vermeidung von Streitpotenzial gibt die Finanzverwaltung pauschale Beträge heraus, die auf Erfahrungswerten basieren. Im Beitrag wird die Anpassung dieser Pauschalen für das „Corona-Jahr“ 2020 einer kritischen Analyse unterzogen und die Verbuchung dargestellt.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie

I. Grundlagen der pauschalen Entnahmesätze

1. Ertragsteuerliche Bewertung

Nach [i]Privatentnahmen bei bestimmten BetriebenAuffassung sowohl des BMF als auch der Rechtsprechung besteht für Betriebe, in denen Nahrungsmittel, Speisen und/oder Getränke erworben werden können, der Anschein, dass der Betriebsinhaber für sich und seinen Haushalt Entnahmen tätigt. Ein Bäcker wird selten Brot bei anderen Bäckereien erwerben, ein Schlachter selten Fleisch bei der Konkurrenz. Grundsätzlich haben die Betriebsinhaber derartige Entnahmen nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG bzw. § 22 Abs. 2 Nr. 3 UStG sowie gemäß der allgemeinen Richtlinien zu dokumentieren. Bei buchführungspflichtigen Unternehmern ist die Dokumentation insbesondere in Form einer Buchung vorzunehmen. In der Praxis führt ein Fehlen derartiger Buchungen im Rahmen einer Betriebsprüfung typischerweise zu einer entsprechenden Hinzuschätzung vonseiten der Betriebsprüfung.

Entnahmen [i]Bewertung zu Selbstkostenwerden gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG grundsätzlich zum Teilwert bewertet. Im Hinblick auf vom Betrieb selbst produzierte Waren und ErzeugnisseS. 923 bedeutet dies, dass eine Bewertung zu Selbstkosten erfolgt, d. h. ohne Gewinnaufschlag. Insoweit sind die Aufwendungen zu neutralisieren, die bei der Produktion der Waren erfolgt sind. Ein darüber hinausgehender Gewinnzuschlag ist demgegenüber nicht vorzunehmen.

2. Umsatzsteuerliche Bewertung

Darüber [i]Wenning, Unentgeltliche Wertabgaben, infoCenter NWB HAAAB-13235 hinaus sind die Entnahmen auch der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Diese Entnahmen stellen unentgeltliche Wertabgaben i. S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG dar, welche entsprechend eine Steuerpflicht auslösen. Das grundsätzliche Verbot des Vorsteuerabzugs für Gegenstände, die der Unternehmer bereits beim Erwerb beabsichtigt, unentgeltlich zuzuwenden, gilt in dem vorliegenden Fall nicht. Zum einen werden die entnommenen Speisen und Getränke typischerweise nicht in der Form erworben, in der diese auch entnommen werden. Vielmehr werden diese im Betrieb produziert und bestehen deshalb bei Bezug aus den jeweiligen Einzelteilen bzw. Zutaten, für die keine direkte bzw. anteilige Zuordnung zur Wertabgabe möglich wäre. Zum anderen ist für keinen der Gegenstände bereits beim Bezug sicher, dass diese unentgeltlich zugeordnet werden.

Hinweis:

In [i]Sonderfall: Bestellung für den privaten BedarfAusnahmefällen kann für einzelne Waren bereits sicher sein, dass diese unentgeltlich zugewendet werden, z. B. wenn der Unternehmer zu einem besonderen Anlass eine spezielle Speise bestellt, die nicht im üblichen Warensortiment vorhanden ist und auch nicht in das Verkaufsprogramm aufgenommen werden soll (z. B. Heidschnucke bei einem Metzger). In derartigen Fällen sollte der Unternehmer m. E. den Vorsteuerabzug nicht geltend machen, unabhängig davon, ob für Entnahmen grundsätzlich die Pauschalen zur Anwendung gelangen oder nicht.

Bemessungsgrundlage [i]Bemessungsgrundlagefür die Umsatzsteuer ist gem. § 10 Abs. 4 UStG der Einkaufspreis oder, sofern dieser nicht zu ermitteln ist, die Selbstkosten. Diese sollten sich aus den Aufzeichnungen ergeben, die der Steuerpflichtige gem. § 22 UStG zu führen hat.

3. Anwendung der Pauschbeträge

Sowohl [i]Erleichterung der Einzelaufzeichnungenfür Zwecke des Ertrag- als auch des Umsatzsteuerrechts sind mithin Einzelaufzeichnungen notwendig, um eine Hinzuschätzung seitens der Finanzverwaltung zu vermeiden. Dies bringt für Steuerpflichtige eine erhebliche Belastung mit sich, da eine Vielzahl einzelner Vorgänge entsprechend zu dokumentieren ist. Dies gilt im besonderen Maße für Betriebe mit verderblichen Lebensmitteln, in denen auch ein gewisser Anteil (ggf. täglich) entsorgt wird. Um diesbezüglich Abhilfe zu schaffen, veröffentlicht das BMF regelmäßig Pauschalen, die auf allgemeinen Erfahrungen beruhen und die in bestimmten Betrieben typischerweise anfallenden Entnahmen abbilden.

Die [i]Wohlfarth/Uhlig, Unentgeltliche Wertabgaben bei angestellten nahen Angehörigen, BBK 9/2017 S. 428 NWB EAAAG-43668 Veröffentlichung der Sachentnahmen basiert auf § 148 AO. Nach dieser Vorschrift kann die Finanzverwaltung eine Erleichterung für die Buchführungspflichten der Steuerpflichtigen bewilligen, sofern diese entsprechende Härten für die Steuerpflichtigen mit sich bringen. Die Pauschalen erlangen in der Praxis eine erhebliche Bedeutung. Im Steuerrecht werden diese sowohl laufend als auch im Zuge von Betriebsprüfungen retrospektiv für die Schätzung der Entnahmen herangezogen, sofern diese nicht dokumentiert und vom Betriebsinhaber bislang auch nicht angewendetS. 924 worden sind. Die Pauschalen haben aber auch über das Steuerrecht hinaus Bedeutung, z. B. zur Bemessung des Einkommens zwecks Berechnung einer Unterhaltsverpflichtung eines Betriebsinhabers, bei dem die Einkünfte ebenfalls um die Pauschalen zu korrigieren sind.

Hinweis:

Während [i]Pauschalen in der Corona-Kriseder Covid-19-Krise sind zahlreiche Betriebe zwangsweise geschlossen geblieben. Die Anwendung der Pauschalen erfolgt aber grundsätzlich unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige die Entnahmen tatsächlich tätigt oder nicht. Eine Verminderung der Pauschalen z. B. wegen Urlaub oder Krankheit kommt nicht in Betracht. Eine Ausnahme besteht allerdings, sofern die Betriebe im Zuge der Corona-Krise aufgrund einer behördlichen Anweisung oder kommunalen Allgemeinverfügung geschlossen worden sind. In diesen Fällen kann eine zeitanteilige Kürzung der Pauschalen für den Zeitraum der Schließung erfolgen. Dies wurde nun erstmalig durch das neue BMF-Schreiben klargestellt.

II. Ausgangssachverhalt

A [i]SKR 04ist buchführungspflichtiger Gastronom, der ein Restaurant in der Innenstadt von Hannover betreibt. Er ist ledig und kinderlos. Privatentnahmen für sich bzw. seinen Haushalt verbucht er nicht separat. Mit Verfügung der Landesregierung vom muss er sein Geschäft vom bis zum schließen, da er die Auflagen zur Öffnung nicht erfüllen kann. Er nutzt die Zeit zum Umbau und kann dann tatsächlich am wieder eröffnen. Da die Gäste zunächst ausbleiben, schließt er am wieder und baut die Lokalität noch einmal großflächiger um. Am eröffnet A dann erneut.

In [i]Entnahmen auch im Lockdownden Schließzeiträumen entnimmt A für sich Lebensmittel, insbesondere auch solche aus dem Kühlraum, die nur über eine begrenzte Haltbarkeit verfügen. Erworben werden in diesem Zeitraum aber keine Lebensmittel.

III. Berechnung und Buchung der Entnahmepauschalen

1. Erstes Halbjahr 2020

Für [i]Ermittlung der HalbjahreswerteZwecke der monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung sind die Pauschalen gem. BMF-Schreiben entsprechend umzurechnen, da es sich um Jahreswerte handelt. Im aktuellen Schreiben sind die Werte bereits aufgrund der Corona-Pandemie auf Halbjahreswerte angepasst, um sowohl dem geteilten Steuersatz für 2020 als auch den mutmaßlich in der zweiten Jahreshälfte aufgrund der Lage verminderten Entnahmen Rechnung zu tragen. Für ein Restaurant, in welchem kalte und warme Speisen zubereitet und serviert werden, beträgt der Halbjahreswert vom 1.1.- 844 € zum ermäßigten und 884 € zum vollen Steuersatz (insoweit unverändert zum vorangegangenen BMF-Schreiben). Vom 1.7.- beträgt der pauschale Entnahmewert einer solchen Lokalität 1.218 € zum reduzierten und 432 € zum vollen Steuersatz.