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StuB Nr. 21 vom Seite 827

Nichtfinanzielle Berichtspflichten für KMU

Status quo vor dem Hintergrund der aktuellen Sustainable-Finance-Initiative der EU

Oliver Scheid, M.Sc., Mag. (FH) Josef Baumüller und Sean Needham, M.Sc.

Im Rahmen der Sustainable-Finance-Initiative der EU sind gegenwärtig zahlreiche Regulierungsmaßnahmen festzustellen, welche das Fundament für ein nachhaltiges, EU-weites Finanzsystem legen sollen. Weitreichende Auswirkungen sind hierbei v. a. auf die Unternehmensfinanzierung sowie auf dafür erforderliche nachhaltigkeitsrelevante Transparenzpflichten zu erwarten – was sowohl unmittelbar für kapitalmarktorientierte Großunternehmen als auch mittelbar für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) gilt. Gerade für Letztere implizieren die neuen Regulierungen einen Bedeutungsgewinn der nichtfinanziellen Berichterstattung: Obwohl KMU sich schon seit vielen Jahren bewusst mit Nachhaltigkeit befassen, fehlen i. d. R. etablierte nichtfinanzielle Berichtssysteme – welche zudem mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand verbunden sind. Aufgrund dessen wurden KMU vom europäischen Richtliniengeber bei der 2014 veröffentlichten CSR-Richtlinie nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich der damals neu geschaffenen nichtfinanziellen Berichtspflicht einbezogen. Vor diesem Hintergrund zeigt der nachstehende Beitrag den derzeitigen Status quo der Regulierungsmaßnahmen der EU zur Sustainable Finance auf und beleuchtet die mittelbare Rolle von KMU in der nichtfinanziellen Berichterstattung näher.

Kirsch, Nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht (HGB), infoCenter NWB CAAAG-79145

Kernfragen
  • Welche Regulierungsmaßnahmen der Sustainable- Finance-Initiative der EU sind in puncto Nachhaltigkeitstransparenz bedeutsam?

  • Welche Implikationen sind damit für KMU verbunden?

  • Welche Herausforderungen ergeben sich im Rahmen der nichtfinanziellen Berichterstattung i. S. der CSR-Richtlinie derzeit für KMU?

I. Hintergrund

[i]Richter/Meyer, EU-Sustainable Finance: Verschärfung der EU-Regulatorik und deren Auswirkungen, StuB 18/2020 S. 715 NWB HAAAH-57992 Velte, Zum Zwischenbericht des Sustainable Finance-Beirats, StuB 6/2020 S. I NWB WAAAH-44294 Baumüller, Erneuerung der europäischen Sustainable-Finance-Strategie, PiR 9/2020 S. 293 NWB XAAAH-56526 Unbeschadet aller Anstrengungen zur Milderung der (wirtschaftlichen) Folgen der Corona-Pandemie wird vonseiten der EU mit ungebrochenem Eifer weiter das Ziel verfolgt, das Thema Nachhaltigkeit stärker in den Fokus von Unternehmensfinanzierung und -berichterstattung zu rücken. Ausgangspunkt bzw. „Herzstück“ dieser aktuellen Entwicklung ist der Aktionsplan zur nachhaltigen Finanzierung („Sustainable Finance“) aus dem Jahr 2018 , mit welchem drei wesentliche Ziele formuliert wurden:

  • Umlenken der Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen, um ein „nachhaltiges und integratives Wachstum“ zu erreichen;

  • bessere Bewältigung von finanziellen Risiken, die „sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben“;

  • Förderung von Transparenz und Langfristigkeit auf den Kapitalmärkten und der gesamten Wirtschaftstätigkeit.

Obschon der Aktionsplan der EU-Kommission den bis heute entscheidenden Meilenstein für eine (verbesserte) Nachhaltigkeit in der EU darstellt, ist Nachhaltigkeit (und die Berichterstattung hierüber) keineswegs ein neues Themenfeld innerhalb der EU: Bereits im EU-Grünbuch zur neuen CSR-Strategie der EU aus dem Jahr 2011 formulierte die EU-Kommission ihre Absicht wie folgt: „Die Kommission reagiert auf die Finanzkrise mit einer Reihe von Vorschlägen für S. 828Rechtsakte, durch die für ein von mehr Verantwortung und Transparenz geprägtes Finanzsystem gesorgt werden soll. Durch die entsprechende Berücksichtigung relevanter nichtfinanzieller Informationen können Anleger dazu beitragen, dass Kapital effizienter eingesetzt wird und langfristige Investitionsziele besser verwirklicht werden. Die Kommission unterstützt Maßnahmen, durch die Anleger die Kompetenz zur Einbeziehung nichtfinanzieller Informationen in ihre Investitionsentscheidungen erhalten sollen.“

Dem nachgelagert wurde im Jahr 2014 die CSR-Richtlinie (RL 2014/95/EU) veröffentlicht. Durch die damit eingeführten Berichtspflichten sollte gewährleistet werden, dass die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen auch für sämtliche Stakeholder „messbar“ gemacht wird. Diese Transparenzpflichten sollten daher Unternehmen dazu anhalten, nachhaltiges Handeln in den Mittelpunkt ihrer Wertschöpfung i. S. eines „naming und shaming“ zu stellen. Die Verknüpfung zur CSR-Strategie aus dem Jahr 2011 ist insofern gegeben, als die nichtfinanzielle Berichterstattung offenkundig noch immer auf Kapitalgeber als zentrale Adressatengruppe abstellt – und damit auch auf die Verknüpfung finanzieller und nichtfinanzieller Informationen.

Bereits Ende 2016 wurde vonseiten der EU-Kommission eine hochrangige Expertengruppe (High-Level Expert Group on Sustainable Finance – HLEG) eingerichtet, um Empfehlungen für die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in den regulatorischen und finanzpolitischen Rahmen der EU und für eine stärkere Mobilisierung von Kapital für eine nachhaltige Wirtschaft zu erarbeiten. Nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts der HLEG im Juli 2017 erschien im Januar 2018 der Abschlussbericht „Financing a Sustainable European Economy“. Dieser schlug Maßnahmen vor, die unmittelbar die Finanzmarktakteure adressieren, da diese damit weiter zu einem Verhalten im Einklang mit den strategischen Zielen der EU-Kommission motiviert werden sollten. Ersichtlich wurde dabei auch ein Perspektivwechsel der EU-Kommission: Über die gem. CSR-Richtlinie berichtspflichtigen Unternehmen hinaus zu deren (Finanz-)Investoren und Anlageberatern, aber auch zu anderen Nutzern der nichtfinanziellen Berichterstattung.

Die HLEG-Empfehlungen breiteten den weiter gefassten Bezugsrahmen für die nichtfinanzielle Rechnungslegung durch Unternehmen in der EU aus, was in folgenden Jahren durch die EU-Kommission anlässlich abgeleiteter Initiativen weiterverfolgt wurde. Ende 2019 bestätigte die EU-Kommission mit ihrem „Green New Deal“ schließlich nochmals ihren (Reform-)Willen, die Weiterentwicklung nachhaltigkeitsrelevanter Offenlegungspflichten als Eckpunkt ihrer Sustainable-Finance-Strategie voranzutreiben. Damit haben die regulatorischen Initiativen in puncto Nachhaltigkeit erneut Fahrt aufgenommen: So veröffentlichte die EU-Kommission bereits im April dieses Jahres ein Konsultationspapier zur Erneuerung ihrer Sustainable-Finance-Strategie , mit welchem ein Durchbruch in puncto nachhaltiger Kapitalallokation erreicht werden soll. Hierfür wird eine substanzielle Überarbeitung des einschlägigen Normenrahmens in der EU thematisiert. Weiterhin wurden zwei Konsultationen zur Überarbeitung der CSR-Richtlinie veröffentlicht und bereits mit der im Juni 2020 im Amtsblatt der EU veröffentlichten sog. „Taxonomie-Verordnung“ (Taxonomie-VO) eine erste Erweiterung der nichtfinanziellen Berichtspflichten i. S. der CSR-Richtlinie vorgenommen.

Vor diesem Hintergrund stellt der vorliegende Beitrag zunächst den derzeitigen Stand der verschiedenen Rechtsakte der EU dar, welche unter dem Dach der Sustainable-Finance-Initiative mittlerweile auch im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden sind. Im weiteren Verlauf wird darauf eingegangen, ob und inwieweit KMU bisher in dem dargestellten regulatorischen Rahmen der vergangenen Jahre eine (Nicht-)Berücksichtigung erfahren haben – und welche Schlussfolgerungen der Status quo diesbezüglich zulässt. Im Besonderen stehen damit (mittelbar) bereits bestehende bzw. zukünftig zu erwartende Transparenzpflichten in puncto Nachhaltigkeitsleistung dieser Unternehmen im Fokus.