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NWB Nr. 3 vom Seite 160

Steuerliche Rechtsformwahl und -optimierung bei Start-up-Unternehmen

Welches Rechtskleid passt in welcher Lebensphase steuerlich am besten?

Prof. Dr. Markus Peter, Jonathan Sola und Sebastian Moos

Anders als bei klassischen Unternehmen vergehen bei Start-ups zwischen Gründung und hochdotierter Veräußerung nur wenige Jahre. Für den steuerlichen Berater ist es daher unabdingbar, die typischen Lebensphasen von solch jungen Unternehmen zu kennen, um ggf. unter Zuhilfenahme des Umwandlungssteuerrechts proaktiv mit der jeweils richtigen Rechtsformempfehlung reagieren zu können.

I. Was sind eigentlich Start-up-Unternehmen?

1. Definition eines Start-ups

[i]Junge und wachstumsstarke UnternehmenUnter den Begriff Start-up-Unternehmen lassen sich grundsätzlich alle jungen Unternehmen – ungeachtet der angebotenen Produkte und Dienstleistungen – fassen, welche S. 161 [i]Jansen/von Kroge/ Lakenbrink, NWB 18/2017 S. 1380sich im (Vor-)Gründungsprozess befinden und auf der Suche nach Finanzmitteln sind (vgl. Hahn, Finanzierung und Besteuerung von Start-up-Unternehmen, Wiesbaden, 2014, S. 4 ff.). Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich hingegen ein Begriffsverständnis eingebürgert, welches auf junge Wachstumsunternehmen ausgerichtet ist, die über ein besonderes Innovationspotenzial verfügen und nicht selten eine Tätigkeit im Bereich des Internets (z. B. Social-Media, Games, Mobile) anstreben (Start-up-Unternehmen im engeren Sinne).

2. Typische Kennzeichen

[i]Hoher KapitalbedarfStart-up-Unternehmen zeichnen sich durch einen hohen Kapitalbedarf für die Forschung, Entwicklung und Markteinführung der Produkte bzw. Dienstleistungen sowie zum weiteren Aufbau der Unternehmensstrukturen aus (vgl. Kollmann/Jung/Kleine-Stegemann/Ataee/de Cruppe (Hrsg.), Deutscher Startup Monitor 2020, S. 21). Da Banken aufgrund hoher Risiken einer Finanzierung in aller Regel ablehnend gegenüberstehen, wird das benötigte Risikokapital von traditionellen Beteiligungsgesellschaften bzw. Venture-Capital-Gesellschaften und [i]Business Angels als Kapitalgebersog. Business Angels bereitgestellt. Als Venture Capital wird Wagnis- bzw. Risikokapital bezeichnet, das in erster Linie jungen, innovativen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Venture-Capital-Finanzierungen stellen somit eine besondere Form der Beteiligungsfinanzierung dar, bei der einem Unternehmen in der Regel über eine Minderheitsbeteiligung Kapital zugeführt wird. Bei Business Angels handelt es sich prinzipiell um vermögende private Investoren, die neben Kapital auch Know-how in das junge Unternehmen einbringen (vgl. Heßler/Mosebach, DStR 2001 S. 813). Besonders gute Chancen haben hier solche Start-up-Unternehmen, die aufgrund ihrer herausragenden Innovationsstärke (z. B. durch den Einsatz neuer Technologien bei der Entwicklung neuer Produkte bzw. die Ausarbeitung neuer, skalierbarer Geschäftsmodelle oder neuer Dienstleistungsangebote) und ihres überdurchschnittlichen Innovationspotenzials ein ebenso überdurchschnittliches Wachstums- und Renditepotenzial aufweisen können.

[i]Lebensphasen eines Start-upsBei Start-ups geht es nach einer von Anlaufverlusten geprägten ersten Lebensphase oft nahtlos über in die zweite Phase, in welcher Wagniskapitalgeber und die Beteiligung von qualifizierten Mitarbeitern am Unternehmenserfolg die dominierende Rolle spielen. Gelingt die Finanzierung der innovativen Geschäftsidee, ist die nächste unmittelbar bevorstehende Phase diejenige, in welcher sich der Gründungsunternehmer zwischen einer Veräußerung seines Unternehmens – ganz oder teilweise – bzw. einem langfristigen Investment in sein Unternehmen entscheiden muss. In nicht wenigen Fällen ziehen die Unternehmensgründer den dabei erlösten Veräußerungsgewinn zur Finanzierung einer neuen innovativen Idee heran. Zeitlich liegen zwischen Gründungsidee und hochdotierter Veräußerung erfahrungsgemäß vier bis sieben Jahre.

II. Von der Idee bis zur Gründung: Anlaufverluste und Halbtagsjob

[i]Anlaufverluste in der GründungsphaseIn den ersten Jahren folgen viele Start-up-Unternehmen einem eigenen Wertschöpfungspfad. Die klassische Gewinn- und Verlustrechnung dient in dieser Zeit eher der Erfüllung allgemeiner Rechnungslegungspflichten (vgl. Sieringhaus, Haufe Steuer Office, 2019, HI12510725). Vielmehr müssen Start-ups Investoren mit besonderen Performance-Kennzahlen überzeugen. Mit diesen sog. Key Performance Indicators (KPI) werden nicht die Ergebnisse des Rechnungswesens dargestellt (vgl. Gehrig/Hebertinger/Sedlarik, IRZ 2020 S. 457), sondern der Umsetzungsgrad einer bestimmten Unternehmensstrategie (vgl. Steinhauser/Nadilo, Haufe Steuer Office, 2019, HI9679810). An die Erzielung von Gewinnen ist in der ersten Phase der Existenz daher häufig nicht zu denken. S. 162

[i]Halbtagsjob im Angestelltenverhältnis zur Finanzierung des LebensunterhaltsHauptsächlich durch Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie für die Markteinführung völlig neuer Produkte und Dienstleistungen entstehen hohe Anlaufverluste (vgl. Heßler/Moseback, DStR 2001 S. 813). Aus diesem Grund kommt es nicht selten vor, dass Gründer aus der Start-up-Szene neben ihrem unternehmerischen Engagement anfänglich noch im Angestelltenverhältnis (Halbtagsjob) tätig sind, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können (vgl. Metzger, KfW-Gründungsmonitor 2021, S. 1; Hahn, Finanzierung von Start-up-Unternehmen, 2018, S. 6).

[i]Rechtsformwahl in AnlaufphaseIm Hinblick auf die steuerliche Rechtsformwahl in dieser ersten Unternehmensphase kann damit festgehalten werden, dass einerseits möglicherweise Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG erzielt werden und andererseits Anlaufverluste aus dem Start-up-Engagement. Es stellt sich damit die Frage, wie mittels welcher Rechtsform die Verluste steuerlich unmittelbar verwertet werden können. Zur Auswahl stehen grundsätzlich Personenunternehmen (also Einzelunternehmen und Personengesellschaften) oder Kapitalgesellschaften (z. B. UG oder GmbH).

1. Personenunternehmen

[i]Meier, Verlustausgleich – Verlustabzug, infoCenter, NWB KAAAA-88455 Mit der Rechtsform des Einzelunternehmens erzielt der Gründer in den meisten Fällen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 EStG; die in der Anlaufphase erwirtschafteten Verluste können so zunächst im Rahmen des vertikalen Verlustausgleichs (§ 2 Abs. 3 EStG) mit den positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit verrechnet werden. Zur Abmilderung von Spitzen in Gestalt hoher Erstattungsüberhänge bei der jährlichen Veranlagung zur Einkommensteuer und zur Verbesserung der Liquiditätslage kann bereits unterjährig durch die Bildung entsprechender Lohnsteuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerabzug verringert werden, um näherungsweise eine Berücksichtigung des voraussichtlichen Verlusts aus dem Start-up-Unternehmen zu erreichen (§ 39 Abs. 1, 4 Nr. 3 EStG i. V. mit § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a, b EStG). Können dabei nicht alle Verluste berücksichtigt werden, gehen die Beträge in den Verlustabzug des § 10d EStG ein.

[i]Verluste werden nach § 10d EStG berücksichtigtEs ist zwischen dem Verlustrücktrag in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum und dem Verlustvortrag in nachfolgende Veranlagungszeiträume zu unterscheiden. Dabei hat der Verlustrücktrag Vorrang vor dem Verlustvortrag (§ 10d Abs. 1, 2 EStG). Durch das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz (BGBl 2021 I S. 330) wurden die Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag für Verluste der Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 auf 10 Mio. € bei Einzelveranlagung und auf 20 Mio. € bei Zusammenveranlagung angehoben. Dagegen ist der Verlustvortrag betragsmäßig begrenzt (sog. Mindestbesteuerung): Er ist bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. € unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte – vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen – vorzunehmen (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG).