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NWB Nr. 12 vom Seite 827

BFH-Urteil zu Drittstaaten-Spin-Offs

Ertragsteuerliche Folgen für inländische Privatanleger und Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto

Dr. Ferdinand Müller

Mit Urteil v.  - VIII R 7/20 (NWB DAAAI-00562) nahm der BFH zu der Frage Stellung, wie inländische Privatanleger zu besteuern sind, wenn sie als Aktionäre bzw. Gesellschafter einer Drittstaatengesellschaft an einem Spin-Off teilnehmen. Ferner ging es in dem Verfahren um die steuerrechtliche Klärung, wann ein Drittstaaten-Spin-Off mit einer Abspaltung i. S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar ist.

I. Begriffsdefinition Spin-Off

[i]Ausgliederung bzw. Verselbständigung eines KonzernunternehmensteilsWenn ein (Drittstaaten-)Konzern einen Teil des Unternehmens aus diversen Gründen ausgliedert oder verselbständigt, also abspaltet, spricht man von einem Spin-Off. Die Konzerngesellschaft gibt die Anteile (Aktien) des ausgliederten Tochterunternehmens dann an ihre Gesellschafter in einem bestimmten Verhältnis aus. Die ausgegliederten Teile werden rechtlich selbständig. Die Gründe für einen Spin-off sind oft vielfältig. Dadurch kann sich ein Konzern bspw. noch kurzfristig Kapital beschaffen, indem aus dem bisherigen Unternehmensteil eine Beteiligung wird. Auch Abteilungen und Betriebsfunktionen wie Forschung und Entwicklung können auf diese Weise kommerzialisiert werden.

II.

1. Entscheidungserheblicher Sachverhalt

[i]BFH, Urteil v. 19.10.2021 - VIII R 7/20, NWB DAAAI-00562 Die beiden Kläger waren Aktionäre einer amerikanischen Aktiengesellschaft (Kapitalgesellschaft A). Im Jahr 2012 übertrug diese Aktiengesellschaft ihre Lebensmittelsparte auf eine neu gegründete Gesellschaft (N), ebenfalls eine börsennotierte US-Kapitalgesellschaft und erhielt dafür Aktien an der neuen Gesellschaft. Sodann teilte die ursprüngliche Gesellschaft ihren Aktionären die erhaltenen neuen Aktien im Verhältnis 3:1 zu, ohne dass das Kapital der neuen Gesellschaft herabgesetzt wurde. Die Depotbank der Kläger ging von einer steuerpflichtigen Sachausschüttung aus und behielt S. 828Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ein. Die Kläger hatten vorgerichtlich in der Einkommensteuererklärung die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gem. § 32d Abs. 4 des EStG in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung sowie die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG beantragt. Die Beklagte und Revisionsbeklagte folgte dem nicht, sondern legte den strittigen Kapitalertrag mit dem für Kapitaleinkünfte geltenden Steuertarif zugrunde und rechnete die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer lediglich auf die festgesetzte Einkommensteuer an. Das FG Baden-Württemberg wies die Klage erstinstanzlich mit Urteil v.  - 13 K 3111/18 (NWB QAAAH-08374) ab. Dagegen richtete sich die Revision der Kläger.

[i]Begründung der KlägerZur Begründung führten die Kläger an, es handele sich bei dem besagten Spin-Off der Ausgangsgesellschaft um eine „nicht steuerbare Kapitalrückzahlung“ bzw. eine „nicht steuerbare Einlagenrückgewähr“. Das US-Recht bestimme autonom, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Ausschüttung als Dividende oder als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sei. Die vorzunehmende rechtsvergleichende Qualifizierung als „echte“ oder „unechte“ Kapitalrückzahlung sei vorliegend nicht erfolgt. Auch habe sich das Finanzgericht nicht ausreichend mit dem US-amerikanischen Bilanzrecht und der dort vorherrschenden Gesellschaftsrechtspraxis auseinandergesetzt. Beantragte Sachverständigengutachten zum Drittstaatenrecht wurden erstinstanzlich nicht eingeholt, geschweige denn Auslandsauskünfte bei dortigen US-Gesellschaften oder Finanzbehörden. Ferner wurde klägerseits eingewandt, dass die Zuteilung der neuen Aktien an die Kläger gem. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG steuerneutral erfolgt sei. Die neuen Aktien seien im Zuge einer Abspaltung im Sinne dieser deutschen Vorschrift zugeteilt worden.

2. Entscheidung des BFH

[i]Kusch, Spaltung, Grundlagen, NWB GAAAF-49346 Der VIII. Senat des (NWB DAAAI-00562) auch bei einem Umwandlungsvorgang mit Bezug zu einem Drittstaat Voraussetzungen bzw. Möglichkeiten gesehen, diesen einer Abspaltung nach dem UmwG gleichzusetzen. Erfasst ist diese Auffassung insbesondere in den beiden wesentlichen Leitsätzen des Gerichts:

„1. [i]LeitsätzeDrittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i. S. des § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG.

2. Ein ausländischer ‚Spin-Off', der aus nationaler Sicht eine Ausgliederung i. S. des § 123 Abs. 3 UmwG mit anschließender Sachausschüttung der Aktien am übernehmenden Rechtsträger darstellt, kann einer Abspaltung i. S. des § 123 Abs. 2 UmwG dann vergleichbar sein, wenn die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen ‚zeitlichen und sachlichen Zusammenhang' mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt (Anschluss an , NWB MAAAH-92657, und VIII R 15/20, NWB SAAAH-92655).“