Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
NWB-EV Nr. 6 vom Seite 197

Financial Planning in der Steuerkanzlei

Potenzial und Herausforderungen beim Aufbau des Geschäftsfeldes

Marcel Reyers

Das Thema „Private Finanzplanung“ existiert bereits seit den 80er-Jahren in Deutschland. Anfangs noch als Vermögensstrukturplanung bezeichnet, gewinnt die „Private Finanzplanung“ mit zunehmenden Vermögen der deutschen Haushalte an Bedeutung. Financial Planning – wie die „Private Finanzplanung“ i. d. R. genannt wird – ist eine eigenständige Dienstleistung, die durch eine ganzheitliche Planungs- und Beratungsphilosophie gekennzeichnet ist. Neben Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistern bieten zunehmend auch Steuerberatungskanzleien diese exklusive Dienstleistung an.

Kernaussagen
  • Das Geschäftsfeld „Financial Planning“ kann für Steuerkanzleien eine sinnvolle Ergänzung des Dienstleistungsspektrums sein.

  • Kanzleien müssen sich zwischen „Make or Buy“-Optionen entscheiden. Größere Kanzleien haben häufig die Potenziale, das Geschäftsfeld selbständig zu bearbeiten.

  • Mandanten erfahren durch den Financial-Planning-Prozess ein neues Beratungserlebnis und werden langfristig an die Kanzlei gebunden.

I. Finanzplanung als ergänzende Dienstleistung für Steuerberater

1. Steigerung des Honorarpotenzials

Financial Planning ist mittlerweile auch in zahlreichen steuerberatenden Kanzleien als Dienstleistung etabliert. Insbesondere aufgrund der hohen Glaubwürdigkeit und Vertraulichkeit des Steuerberaters bietet diese Dienstleistung eine sinnvolle Ergänzung des Angebotsspektrums. Zahlreiche – für die Finanzplanung notwendige – persönliche Kundendaten sind in den Kanzleien bereits erfasst und müssten nur noch durch eine überschaubare Anzahl von Finanzdaten ergänzt werden, um eine Finanzplanung für den Mandanten zu erstellen. Steuerberater, die Financial Planning anbieten, erhöhen ihr Honorarpotenzial bei gleichbleibendem Mandantenstamm.

Allerdings bindet das Geschäftsfeld auch Ressourcen. Die Datenaufnahme bzw. Erfassung in entsprechende Finanzplanungsprogramme kann durch eingewiesene Kanzleimitarbeiter erfolgen. Der direkte Finanzplanungsprozess sollte jedoch direkt durch den Finanzplaner vorgenommen werden.

Auf die Voraussetzungen zum Aufbau des Geschäftsfeldes „Financial Planning“ sowie auf die notwendige Qualifikation geht der Beitrag im Folgenden ausführlich ein.

2. Abgrenzung zu erlaubnispflichtigen Tätigkeiten

Financial Planning an sich stellt keine erlaubnispflichtige Tätigkeit dar und ist damit auch für den Steuerberater ohne zusätzliche behördliche Genehmigung umsetzbar. Allerdings ist die Gefahr, im Rahmen der Finanzplanung und Beratung von Mandanten in erlaubnispflichtige Tätigkeiten hineinzugleiten, vorhanden. Insbesondere die Vermögensstrukturplanung droht schnell zur erlaubnispflichtigen Anlage- oder Vermögensberatung zu werden. Daher ist die Abgrenzung zur Finanzplanung hier besonders wichtig. Sowohl die Anlageberatung als auch die Finanzplanung könnten dem Mandanten Vorschläge zur Vermögensdisposition machen. Während die Finanzplanung sich jedoch nur auf Anlageklassenebene oder abstrakter Produktebene bewegt, geht die Anlageberatung hinüber in konkrete Produktempfehlungen unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden sowie der Geeignetheit für den Kunden. Gegenüber der Anlageberatung, die i. d. R. nur fallbezogen stattfindet, ist die Vermögensberatung auf Dauer angelegt und erfordert ebenfalls, wie die Anlageberatung, eine entsprechende Zulassung nach KWG oder die Anbindung an ein geeignetes Haftungsdach.

Auch eine Abgrenzung zur erlaubnispflichtigen und gewerblichen Versicherungsvermittlung ist notwendig. Die Finanzplanung kann hier häufig als wegbereitende Dienstleistung für die Versicherungsvermittlung angesehen werden, da im Rahmen von Finanzplanungskonzepten häufig auch Umsetzungen in der Neuausrichtung von Altersvorsorgeprodukten folgen.S. 198

Da es Steuerberatern grundsätzlich untersagt ist, eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, sollte die Finanzplanung insbesondere nur gegen festgelegte Honorarsätze erfolgen. Vergütungen Dritter (Produktanbieter, mögliche Kooperationspartner) stehen diesem Grundsatz entgegen.

II. Private Finanzplanung – Financial Planning

Das Financial Planning folgt einem systematischen und koordinierten Beratungsprozess. Dieser besteht aus den fünf Teilprozessen: Auftragsvergabe, Datenaufnahme, Analyse und Finanzplanung sowie Dokumentation. Ergänzend können auch noch konkrete Handlungsempfehlungen bei der Umsetzung folgen, dies wäre aber von dem eigentlichen Finanzplanungsauftrag abzugrenzen.

Die Basis des Financial Plannings bildet die Erfassung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, Erträge und Einnahmen sowie Aufwände und Ausgaben. Vervollständigt durch die persönlichen Zielvorstellungen und -vorgaben des Kunden werden im Rahmen der Finanzplanung das Privatvermögen und alle zukünftigen Zahlungsströme des Mandanten systematisch strukturiert. Dieser Prozess funktioniert ähnlich einer Unternehmensplanung oder eines Business-Plans und ist damit nahezu für jeden steuerlichen Berater adaptierbar. Die Planung zukünftiger Zahlungsströme bildet dabei ein typisches Unterscheidungsmerkmal der Finanzplanung zur klassischen Steuerberatung, die im Rahmen einer Stichtagsbetrachtung auf steuerlich relevante Daten zurückgreift.

Ziel des Financial Planning ist es, den Mandanten ein vollständiges und nachvollziehbares Bild ihrer Finanzlage zu vermitteln und aufzuzeigen, inwieweit Lebensentwürfe und finanzielle Ziele des Mandanten erreichbar sind. Dabei vernetzt Financial Planning alle Finanzdaten miteinander und zeigt auch Wechselwirkungen zwischen den Planbestandteilen auf.

Neben dem ganzheitlichen Financial Planning gewinnen auch Themenpläne zu bestimmten Sachverhalten (z. B. Altersvorsorgeplanung, Immobilienplanung) zunehmend an Bedeutung. Die Komplexität nimmt dabei vom Themenplan zum Finanzplan bis hin zur Unternehmensplanung stetig zu.

III. Nutzen der Finanzplanung

Die „Private Finanzplanung“ hilft dem Mandanten:

  • einen klaren und vollständigen Blick auf seine finanzielle IST-Situation zu erlangen.

  • persönliche Ziele in Finanzziele zu transportieren.

  • dank umfangreicher Informationen und Erläuterungen selbstbestimmt Finanzentscheidungen treffen zu können.

  • mit der Unterstützung von Szenarien, langfristige Auswirkungen von Finanzentscheidungen zu erkennen.

IV. Ausbildung zum Finanzplaner/in bzw. zum CFP®