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IWB Nr. 11 vom Seite 452

Wegzugsbesteuerung: Rückkehrabsicht bei nur vorübergehender Abwesenheit

BFH, Urteil v. 21.12.2022 - I R 55/19

Prof. Dr. Henrik Schneider und Tobias Keeve

Die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG spielt in der Praxis eine gewichtige Rolle, da die drohende Aufdeckung stiller Reserven in Kapitalgesellschaftsanteilen ohne tatsächlichen Zufluss (sog. Dry Income) finanziell schwer wiegt. Wurden in der alten Fassung vor dem Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie vom (im Folgenden „ATAD-Umsetzungsgesetz“) zumindest in EU-/EWR-Fällen umfassende Stundungsmöglichkeiten gewährt, wiegt der Wegzug nach der neuen Fassung mangels zinsfreier Stundungsmöglichkeit weitaus schwerer. Die Aufdeckung stiller Reserven durch eine Veräußerungsfiktion soll das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland sichern, indem die Besteuerung im Inland aufgebauter stiller Reserven nicht durch Wegzug ins Ausland vermieden werden kann. Zieht ein Steuerpflichtiger jedoch mit diesen stillen Reserven zurück ins Inland, ist das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht mehr gefährdet und die Besteuerung entfällt nach § 6 Abs. 3 AStG (a. F. und n. F.). Der BFH musste sich nun mit der umstrittenen Frage beschäftigen, ob hierzu eine bloße (tatsächliche) Rückkehr ausreicht oder ob der Steuerpflichtige bereits bei Wegzug die Absicht gehabt haben musste, zurückzukehren (sog. Rückkehrabsicht).

Kernaussagen
  • Der BFH hat die Frage, ob es auf eine subjektive Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs ankommt, zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden.

  • Es kommt für die alte Rechtslage vor dem ATAD-Umsetzungsgesetz nur auf die tatsächliche Rückkehr innerhalb der Rückkehrfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG an.

  • Die Argumente des BFH sind auch auf die Neufassung durch das ATAD-Umsetzungsgesetz übertragbar.