OFD Frankfurt/M. - S 0181 A - 2 - St 53

Rücklagen und Vermögensbildung bei steuerbegünstigten Körperschaften

Regelung ab dem

Als Ausnahmeregelung zum Gebot der zeitnahen Mittel Verwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) lässt § 62 Abs. 1 AO zu, dass eine Körperschaft unter bestimmten Voraussetzungen ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage zuführt. § 62 Abs. 3 und 4 AO stellt die Fälle der zulässigen Vermögenszuführung dar.

1. Rücklagenbildung

Ergänzend zu AEAO zu § 62 Abs. 2 Tz. 14 und 15 weise ich daraufhin, dass bilanzierende Körperschaften die Rücklagen in ihrer Bilanz offen (getrennt vom übrigen Kapital) ausweisen sollten. Es ist allerdings ausreichend, wenn sich die Rücklagen aus einer Nebenrechnung zum Jahresabschluss ergeben. Nicht bilanzierende Körperschaften haben die Rücklagen neben ihren Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben (§ 63 Abs. 3 AO) in einer gesonderten Nebenrechnung auszuweisen.

Hat die Körperschaft, ohne dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 AO vorliegen, Mittel angesammelt, so entspricht die tatsächliche Geschäftsführung nicht dem Erfordernis des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO. Das Finanzamt kann der Körperschaft gemäß § 63 Abs. 4 AO eine Frist für die Verwendung der Mittel setzen. Die Frist ist nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen, sollte jedoch regelmäßig 2 bis 3 Jahre nicht übersteigen (vgl. auch AEAO zu § 63 Tz. 2).

1.1 Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO

Die Mittel müssen bei der sogenannten „zweckgebundenen Rücklagen” i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO für bestimmte Zweckverwirklichungsmaßnahmen angesammelt werden. Für die Durchführung müssen konkrete Zeitvorstellungen bestehen. Kann für ein bestimmtes Vorhaben noch kein genauer Zeitpunkt für die Durchführung festgelegt werden, ist eine Rücklagenbildung nur zulässig, wenn die Durchführung glaubhaft und bei den finanziellen Verhältnissen der Körperschaft in einem angemessenen Zeitraum möglich ist (AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 1 Tz. 4). Grundsätzlich sollte ein Zeitraum von 6 Jahren nicht überschritten werden. Das Merkmal „erforderlich” ist – hinsichtlich Grund, Höhe und zeitlichem Umfang – nach objektiven Kriterien des konkreten Falles zu überprüfen (vgl. , BStBl 1990 II S. 28). Nicht ausreichend ist das Bestreben, ganz allgemein TU die Leistungsfähigkeit der Körperschaft zu erhalten. Desgleichen ist die erstmalige Bildung einer ertragbringenden Vermögenssubstanz aus den Mitteln der Körperschaft zur nachhaltigen Zweckerfüllung nicht erforderlich (vgl. a. a. O.). Die Frist des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO für die zeitnahe Verwendung von Mitteln kann nicht mit der Begründung verlängert werden, die Überlegungen zur Verwendung der Mittel seien noch nicht abgeschlossen. Dementsprechend kommt mit einer solchen Begründung auch die Bildung einer Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht (AEAO zu § 62 Abs. 1 Tz. 3).

Zu den nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässigen Rücklagen gehört auch die sog. Betriebsmittelrücklage für periodisch wiederkehrende Ausgaben in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitspanne. Die Berechnung der Höhe der Rücklage ist davon abhängig, in welchem Umfang die Körperschaft regelmäßige Einnahmen erzielt. Insoweit bestimmt sich die Zeitspanne (höchstens bis zu einem Geschäftsjahr) nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles.

Soweit die Körperschaft mehrere Vorhaben gleichzeitig beabsichtigt, sind nebeneinander mehrere Rücklagen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig. Desgleichen gilt, wenn neben einer Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO gebildet wird.

Die Voraussetzungen für die Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO sind in jedem Prüfungszeitraum erneut zu prüfen.

1.2 Wiederbeschaffungsrücklage i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO

Die Regelung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 AO wurde mit dem Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes zum eingeführt, zuvor war allerdings eine entsprechende Vorgehensweise in AEAO zu § 58 Nr. 6 Tz. 10 geregelt. Nach AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 2 Tz. 6 ist es erforderlich, dass tatsächlich eine Neuanschaffung des einzelnen Wirtschaftsguts geplant und in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Eine Einstellung von Mitteln in Höhe der Abschreibungen in die Rücklage wäre z. B. dann nicht gerechtfertigt, wenn ein Fuhrpark verkleinert oder ein Gebäude während unabsehbar langer Zeit nicht durch einen Neubau ersetzt werden soll.

Die Zuführung von Mitteln in Höhe der Abschreibungen dürfte z. B. dann nicht ausreichen, wenn das vorhandene Wirtschaftsgut entweder frühzeitig oder durch ein besseres, größeres und teureres Wirtschaftsgut ersetzt werden soll. Die Zuführung dürfte z. B. dann überhöht sein, wenn die steuerlich zulässigen (Sonder-)Abschreibungen nicht mit dem tatsächlichen Wertverlust übereinstimmen.

1.3 Freie Rücklagen i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO

Die Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO ist für alle Körperschaften möglich.

Die Rücklagenbildung in Höhe bis zu einem Drittel des Überschusses aus Vermögensverwaltung setzt voraus, dass entsprechende Einnahmen erzielt werden. Auf § 14 Satz 3 AO wird hingewiesen. Zu den Einnahmen zählen z. B. neben Zinserträgen aus Spareinlagen und Dividenden aus Wertpapieren auch Miet- und Pachteinnahmen der Körperschaft. Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage sind die Ergebnisse aus den einzelnen Bereichen der Vermögensverwaltung zusammenzurechnen. Ergibt sich hierbei ein Kostenüberhang (Unterdeckung), ist eine Rücklagenbildung in diesem Jahr nicht zulässig. Darüber hinaus ist der Unkostenüberschuss in nachfolgende Jahre vorzutragen und dort zunächst mit Überschüssen aus Vermögensverwaltung zu verrechnen, so dass eine Unterdeckung auch die Möglichkeiten der Bildung freier Rücklagen in den nachfolgenden Jahren einschränkt.

Darüber hinaus ist die Bildung oder Aufstockung einer freien Rücklage bis zu 10 % der sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel zulässig. Zu den sonstigen Mitteln zählen Überschüsse bzw. Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und Zweckbetrieben sowie die Bruttoeinnahmen aus dem ideellen Bereich (AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 3 Tz. 10). Zur Vermeidung einer doppelten Begünstigung dürfen die Mittel aus der Vermögensverwaltung nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

Die Gesamthöhe der freien Rücklage ist unbegrenzt. Während der Dauer des Bestehens braucht die Körperschaft die freie Rücklage nicht aufzulösen. Die angesammelten Mittel unterliegen zwar nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, sind jedoch auf Dauer für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden. Eine Verwendung im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist gemeinnützigkeitsschädlich. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, die freien Rücklagen für die Errichtung eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes einzusetzen Die Mittel können jedoch – solange die Rücklage fortbesteht – im Rahmen der Vermögensverwaltung angelegt werden und stehen für Vermögensumschichtungen zur Verfügung. Die in die Rücklage eingestellten Mittel können auch dem eigenen Vermögen zugeführt werden, bzw. Ausstattungskapital für eine andere steuerbegünstigte Körperschaft sein (vgl. AEAO zu § 58 Nr. 2 Tz. 2 und zu § 62 Abs. 1 Nr. 4 Tz. 12).

1.4 Rücklagen zum Erwerb von Gesellschaftsrechten i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO

§ 58 Nr. 7b AO wurde durch das Gesetzt zur Stärkung des Ehrenamtes mit Wirkung zum aufgespalten in § 58 Nr. 10 AO für die Fälle, in denen im Jahr des Zuflusses eines entsprechende Verwendung stattfindet und in § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO für die Fälle, in denen zunächst Mittel angesammelt werden. Inhaltlich haben sich hierdurch aber keine Änderungen ergeben.

Nicht von § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO (und § 58 Nr. 10 AO) erfasst ist der erstmalige Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft sowie der Erwerb von Anteilen zur Erhöhung der prozentualen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Eine steuerbegünstigte Körperschaft darf aber ihr Vermögen, das nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegt (z. B. die in der freien Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO angesammelten Beträge), für eine Erhöhung der Beteiligungsquote verwenden (AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 4 Tz. 12/AEAO zu § 58 Nr. 10 Tz. 12).

Für die Rücklagenbildung stehen sämtliche Mittel der Körperschaft zur Verfügung. Die Herkunft der Mittel ist unbedeutend. Die Bildung der Rücklage ist jedoch nur zulässig, wenn ein hinreichend konkreter Anlass für eine Kapitalerhöhung gegeben ist. Die Kapitalerhöhung muss sich daher bereits konkret abzeichnen.

Die Ansammlung (bzw. Verwendung) von Mitteln i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO (§ 58 Nr. 10 AO) ist der Höhe nach grundsätzlich unbegrenzt möglich, findet ihre Grenze jedoch in dem zu erwartenden Anteil am Kapitalerhöhungsbetrag. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Betrag i. S. d. § 62 Abs. 1 Nr. 4 AO (§ 58 Nr. 10 AO) auf die nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO in demselben Jahr oder künftig zulässigen Rücklagen anzurechnen ist. Übersteigt der für die Erhaltung der Beteiligungsquote bereitgestellte (bzw. verwendete) Betrag die Höchstgrenze für die Bildung der Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO des laufenden Jahres, ist auch in den Folgejahren eine Zuführung erst wieder möglich, wenn die für eine freie Rücklage verwendbaren Mittel insgesamt die für die Erhaltung der Beteiligungsquote bereitgestellten (bzw. verwendeten) Mittel übersteigen (AEAO zu § 62 Abs. 1 Nr. 4 Tz. 13/AEAO zu § 58 Nr. 10 Tz. 12)

1.5 Sonstige Rücklagen

1.5.1 Rücklagen im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb

Ergänzend zu AEAO zu § 62 Tz. 1 weise ich daraufhin, dass die Mittel, die in diese Rücklage eingestellt werden aus dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stammen müssen.

2. Vermögensbildung/Vermögenszuführungen

2.1 Vermögenszuführungen bei Stiftungen i. S. d. § 62 Abs. 4 AO

Die Regelung ist auf Stiftungen begrenzt. Auf die Bezeichnung der Körperschaft als Stiftung kommt es dabei nicht an, entscheidend ist die tatsächliche Rechtsform. Dabei ist es unmaßgeblich, ob es sich um eine rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Stiftung handelt.

3. Konsequenzen

Ich bitte, die Rücklagenbildung und Vermögenszuführung bei den steuerbegünstigten Körperschaften regelmäßig nach den vorstehenden Grundsätzen zu überprüfen und ggfs. die notwendigen Konsequenzen (Fristsetzung nach § 63 Abs. 4 AO, Versagung der Steuerbefreiung) zu ziehen.

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Fundstelle(n):
UAAAE-57226