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Arbeitshilfe Januar 2024

Verschmelzung zur Neugründung: Information zum Betriebsübergang nach § 613a BGB – Muster

Reinald Gehrmann
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Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil von einem Inhaber auf einen neuen Inhaber durch Rechtsgeschäft oder durch Umwandlung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen wird und der Übernehmende die wirtschaftliche Einheit (Betrieb oder Betriebsteil) unter Wahrung ihrer Identität weiterführt. Ein Betriebsübergang liegt nur dann vor, wenn der bisherige Inhaber seine wirtschaftliche Betätigung im Betrieb einstellt. Beim Betriebsübergang findet lediglich ein Inhaberwechsel statt; die Identität des Betriebs bleibt hingegen gewahrt.

Bei einem Betriebsübergang gehen alle mit dem bisherigen Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse, die im Zusammenhang mit dem übergehenden Betrieb bzw. Betriebsteil stehen, auf den Übernehmer über, sofern die Arbeitnehmer dem Übergang nicht widersprechen. Bei einem Übergang tritt der Übernehmer derart in alle Rechte und Pflichten aus den übergehenden Arbeitsverhältnissen ein, als hätte er die Arbeitsverträge selbst abgeschlossen. Geht lediglich ein Betriebsteil über, gilt dies nur für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die in den übergehenden Betriebsteil tatsächlich eingegliedert waren (BAG, 8 AZR 706/11).

Die Haftung des Übernehmers umfasst dabei auch rückständige Lohnforderungen, Nebenleistungen, Gratifikationen und Versorgungsanwartschaften (BAG, 5 AZR 95/75 sowie 3 AZR 139/17), nicht aber bei Betriebsübergang bestehende Beitragsrückstände des vorherigen Arbeitgebers.

Nach § 613a Abs. 5 BGB haben der bisherige Inhaber oder der Übernehmer des Betriebs oder Betriebsteils die betroffenen Arbeitnehmer über

  • den tatsächlichen oder geplanten Zeitpunkt des Übergangs,

  • den Grund des Übergangs,

  • die Identität des Betriebserwerbers,

  • die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und

  • die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen

schriftlich zu informieren. Dies kann auch durch Rundschreiben, E-Mails oder Mitteilungen im Intranet geschehen, wobei der Urheber explizit zu nennen ist.

Auf der Basis der in diesem Schreiben gegebenen Informationen sollen die betroffenen Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, eine Entscheidung über das ihnen gesetzlich zustehende Widerspruchsrecht bzw. eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu treffen. Dies impliziert, dass dieses Schreiben aussagekräftige Angaben zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs macht (Vgl. z. B. BAG, 8 AZR 305/05 und 8 AZR 1116/06). Ein Verweis auf die einschlägige gesetzliche Regelung in § 613a BGB allein reicht hierzu nicht aus.

Das Schreiben muss insbesondere folgende Informationen enthalten:

  • Geplanter Zeitpunkt und Grund für den Übergang auf den neuen Inhaber. Den Arbeitnehmern sind das Umstrukturierungskonzept und der dem Übergang zugrundeliegende Rechtsvorgang – hier die Verschmelzung - nachvollziehbar darzulegen (Vgl. hierzu BAG, 8 AZR 305/05 und LAG München, 4 Sa 411/08).

  • Genaue Bezeichnung des Erwerbers mit seiner Anschrift bzw. der seines gesetzlichen Vertreters sowie genaue Beschreibung des übergehenden Betriebsteils. Den Arbeitnehmern kann nur so ermöglicht werden, ggf. Erkundigungen über den Erwerber einzuziehen.

  • Darlegung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs und der im Hinblick auf den übergegangenen Betrieb oder Betriebsteil geplanten Maßnahmen.

Dies beinhaltet beispielsweise die Auswirkungen auf die arbeitsvertraglichen Bestimmungen, die Anwendbarkeit der bisher für den Betrieb/Betriebsteil geltenden tarifvertraglichen Regelungen und Betriebsvereinbarungen und die Benennung der im Betrieb des Erwerbers geltenden Kollektivvereinbarungen. Darzulegen sind ebenfalls die haftungsrechtlichen Auswirkungen auf vor dem Betriebsübergang entstandene Ansprüche, die Ausgestaltung des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer und die für seine Ausübung geltende Frist (Vgl. dazu BAG, 8 AZR 277/10). Im Hinblick auf die sozialen Folgen des Übergangs ist auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der neuen Gesellschaft von erheblicher Bedeutung, so dass Angaben hierzu in das Informationsschreiben aufzunehmen sind. So können rechtliche Rahmenbedingungen beim Erwerber oder die wirtschaftliche Lage der anderen an der Verschmelzung beteiligten GmbH zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer führen und damit ein relevantes Kriterium für die Ausübung des Widerspruchs gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses darstellen (BAG, 8 AZR 783/13). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung schuldet der Arbeitgeber aber keine umfassende Rechtsberatung über die rechtlichen Folgen in Bezug auf jeden konkreten Einzelfall, da es auch Aufgabe des Arbeitnehmers sei, sich selbstständig über die für ihn relevanten Sachverhalte bzw. Rechtsfolgen zu informieren (BAG, 8 AZR 277/10).

Nach Zugang der (vollständigen und fehlerfreien) Mitteilung über den Betriebsübergang muss der einzelne Arbeitnehmer innerhalb eines Monats seinen Widerspruch schriftlich gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem Erwerber zu erklärten. Die Angabe eines sachlichen Grundes oder die Darlegung einer Begründung sind nicht erforderlich. Da bei einer Verschmelzung des ganzen Unternehmens der alte Arbeitgeber untergeht, ginge ein Widerspruch des Arbeitnehmers ins Leere, so dass er in diesem Fall lediglich berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.

Veräußerer und Erwerber können nicht mittels vertraglicher Vereinbarung bestimmte Arbeitsverhältnisse vom Übergang ausschließen.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, sich bei Abfassung des Informationsschreibens von einem fachkundigen Rechtsanwalt unterstützen zu lassen.

Mehr zum Thema Betriebsübergang sowie weiterführende Informationen im infoCenter.

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