BFH Beschluss v. - VIII B 90/02

Gründe

I. Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob dem Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) aufgrund von Verlusten aus zwei stillen Beteiligungen in den Jahren 1996 und 1997 Verlustrückträge auf die Jahre 1994 und 1995 zustehen. Es handelt sich um zwei typisch stille Beteiligungen über zwei verschiedene Treuhänder an einer GmbH, der gegenüber sich die Treuhänder 1996 zu einer Einlage in Höhe von 22 500 000 DM (Beteiligung I) und 1997 zu einer Einlage in Höhe von 29 000 000 DM (Beteiligung II) verpflichtet hatten. Die Einlagen sollten jeweils durch eine Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten der GmbH, im Übrigen durch Barleistungen auf die Beteiligung I in Höhe von 2 400 000 DM (1996) und auf die Beteiligung II in Höhe von 773 826 DM (1997) erbracht werden. Darüber hinaus war vereinbart, dass die stillen Gesellschafter die GmbH bis zur Umschreibung der Darlehen durch die Gläubiger von allen Risiken und Pflichten aus den Darlehensverträgen freistellen sollten.

Die Verträge wurden vereinbarungsgemäß durchgeführt. Wann die Darlehen umgeschrieben wurden, ist noch nicht geklärt; es ist jedoch unstreitig, dass dies nach 1997 war.

Zur Gewinn- und Verlustbeteiligung bestimmten die Gesellschaftsverträge, dass den stillen Gesellschaftern im Jahre der Eigenleistung und ggf. im Folgejahr ein Vorwegverlust bis zur Höhe ihrer Einlage zuzurechnen sei und der Vorwegverlust alle betrieblichen Aufwendungen der GmbH und ihrer Tochtergesellschaften umfassen solle. Die Vereinbarung wurde am hinsichtlich der Beteiligung I in der Weise ergänzt, dass der Treuhänder für den Antragsteller den gesamten Steuerbilanzverlust 1996 der Tochtergesellschaft Z zu übernehmen habe und dieser Verlust dem Kapitalkonto 1996 zu belasten sei. Der Jahresabschluss der GmbH wurde für 1996 im Jahr 1997 und für 1997 im Jahr 1998 erstellt.

In seiner Einkommensteuererklärung für die Jahre 1996 und 1997 machte der Antragsteller bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen Verluste aus den stillen Beteiligungen in Höhe von 16 064 563 DM (1996) und von 31 703 808 DM (1997) geltend. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte demgegenüber lediglich für 1997 einen Verlust in Höhe von 2 400 000 DM; die darüber hinausgehenden Verluste seien als verrechenbare Verluste nach § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzustellen. Über die Einsprüche, mit denen der Antragsteller nur noch Verlustrückträge auf die Jahre 1994 und 1995 erstrebt, ist noch nicht entschieden. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide lehnten sowohl das FA als auch das Finanzgericht (FG) ab. Das FG hat die Beschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen.

Mit der Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1994 in Höhe von ... DM Einkommensteuer sowie ... DM Zinsen zur Einkommensteuer und den Einkommensteuerbescheid 1995 in Höhe von ... DM Einkommensteuer, ... DM Zinsen zur Einkommensteuer und ... DM Solidaritätszuschlag von der Vollziehung auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Ernstliche Zweifel sind u.a. anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in den Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom III B 144/89, BFH/NV 1990, 774, m.w.N., und vom XI B 3/94, BFHE 174, 486, BStBl II 1994, 785). Das ist hier der Fall.

1. Der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG darf nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mit anderen Einkünften des Kommanditisten ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Das ist, wie sich aus Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift ergibt, dann der Fall, wenn der Verlustanteil die ”geleistete Einlage” übersteigt; denn diese Einlage bestimmt das positive Kapitalkonto des Kommanditisten. Nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG ist ein Verlustausgleich auch über die geleistete Einlage hinaus bis zum Betrag der weiter gehenden Außenhaftung vorzunehmen (, BFHE 182, 26, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst —DStRE— 1997, 240, m.w.N.). Auf Anteile des stillen Gesellschafters am Verlust des Betriebsinhabers ist § 15a EStG entsprechend anwendbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).

Im Streitfall hat der Antragsteller mit der Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten der GmbH in den Jahren 1996 und 1997 weder eine Einlage ”geleistet” noch ist er eine der Außenhaftung eines Kommanditisten vergleichbare Verpflichtung eingegangen.

a) Die Kommanditeinlage ist i.S. von § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ”geleistet”, wenn sie tatsächlich erbracht ist. Die im Innenverhältnis gegenüber der KG bestehende Einlageverpflichtung, die ”ausstehende Einlage” des Kommanditisten, reicht hierfür nicht aus (BFH-Beschluss in BFHE 182, 26, DStRE 1997, 240, unter II. 4. b der Gründe, m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters (, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, unter III. 3. der Gründe; vom VIII R 76/93, BFH/NV 1998, 576, unter 2. der Gründe) und eines BGB-Innengesellschafters (, BFHE 196, 103, BStBl II 2002, 339, unter II. 2. c bb der Gründe). Die Leistung einer Einlage durch den typisch stillen Gesellschafter ist nach denselben Grundsätzen zu beurteilen. Dem Gesellschaftsvermögen muss etwas von außen zugeflossen sein, was den bilanziellen Unternehmenswert mehrt, also die Aktiva des Unternehmens erhöht oder die Passiva mindert und so Einfluss auf das ”Kapitalkonto” nimmt (BFH-Entscheidungen in BFHE 182, 26, DStRE 1997, 240, und in BFHE 196, 103, BStBl II 2002, 339, unter II. 2. b bb der Gründe; zur Ermittlung des Kapitalkontos bei Einkünften aus Kapitalvermögen vgl. , BFHE 181, 462, BStBl II 1997, 250, unter 3. der Gründe).

An einem solchen Zufluss in das Gesellschaftsvermögen fehlt es hier hinsichtlich der übernommenen Darlehensverbindlichkeiten. Er könnte nur dann angenommen werden, wenn die GmbH von ihrer Darlehensverbindlichkeit an den Bilanzstichtagen oder endgültig befreit worden wäre. Das war jedoch hier wegen der in diesen Zeitpunkten noch fehlenden Genehmigung der Schuldübernahme durch die Gläubiger nicht der Fall (§ 415 des Bürgerlichen GesetzbuchesBGB—); bis zur Erteilung der Genehmigung lag nur eine im Innenverhältnis zur GmbH wirksame Erfüllungsübernahme (§ 415 Abs. 3 i.V.m. § 329 BGB) oder ein Schuldbeitritt vor (§ 328 BGB und dazu Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., Überblick vor § 414 Rz. 2).

b) Soweit die Genehmigung für eine befreiende Schuldübernahme zu einem späteren Zeitpunkt noch erteilt worden sein sollte, wirkt sie zwar zivilrechtlich zurück (§ 184 Abs. 1 BGB); steuerrechtlich ist sie aber erst mit Erteilung der Genehmigung beachtlich. Rückwirkende Ereignisse sind ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Auswirkungen steuerrechtlich nur dann von Bedeutung, wenn nunmehr der veränderte statt des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (vgl. dazu allgemein Beschluss des Großen Senats des , BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C. II. 1. der Gründe und —zur Rückwirkung von Genehmigungen nach § 184 Abs. 1 BGB, BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10, unter II. 1. b der Gründe). Knüpft das Steuerrecht —wie bei § 15a EStG— die Rechtsfolge mit der Veränderung des Kapitalkontos an den bilanzrechtlichen Vermögensvergleich an, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse am jeweiligen Bilanzstichtag an (vgl. dazu u.a. , BFHE 166, 21, BStBl II 1992, 479, unter B. III. 4. b cc der Gründe); an diesen hatte die GmbH aber noch eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber ihren Gläubigern zu passivieren, sodass bei ihr eine Vermögensmehrung noch nicht eingetreten war. Bis zur Erteilung der Genehmigung konnten die Vertragspartner die Schuldübernahme jederzeit ändern oder aufheben und war diese unwirksam, wenn die Genehmigung verweigert wird (§ 415 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 BGB).

Ernstlich zweifelhaft kann deshalb nur sein, ob die Einlage bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Schuldübernahme oder erst im Zeitpunkt der Erfüllung der Schuld durch den Gesellschafter ”geleistet” ist. Denn hier stellt sich die Frage, ob eine Einlage i.S. von § 15a EStG nicht nur eine Vermögensmehrung auf der Ebene der Gesellschaft, sondern auch einen tatsächlichen Abfluss aus dem Vermögen des Gesellschafters voraussetzt. Der Senat verweist dazu auf seinen Beschluss in BFHE 182, 26, DStRE 1997 240.

c) Die Schuldübernahme führte auch nicht zu einem ”erweiterten Verlustausgleich”. Das Gesetz sieht eine solche Erweiterung ausdrücklich nur für den Kommanditisten und nur unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG vor. Ob und inwieweit die Verpflichtung eines Gesellschafters gegenüber einem oder allen Gläubigern der Gesellschaft auch Gesellschaftern anderer Gesellschaften, auf die § 15a EStG entsprechend anwendbar ist, einen ”erweiterten Verlustausgleich” ermöglicht,

ist streitig; die Frage ist aber für schuldrechtliche Innen- und Außenverpflichtungen von Innengesellschaften —zu denen auch die stille Gesellschaft gehört— inzwischen geklärt. Der Verlustausgleich ist auf den Umfang der ”geleisteten Einlage” beschränkt (vgl. dazu , BStBl II 2002, 464, DStR 2002, 1085 mit Anmerkung HG). Es kommt deshalb für die Entscheidung im Streitfall weder darauf an, dass sich die stillen Gesellschafter (Treuhänder) gegenüber der GmbH verpflichtet haben, bis zur Umschreibung der Darlehen durch die Gläubiger deren Risiken und Pflichten aus dem Darlehensvertrag zu übernehmen, noch darauf, dass —nach dem Vortrag des Antragstellers— den Gläubigern an den jeweiligen Bilanzstichtagen die (Mit-)Verpflichtung der stillen Gesellschafter bekannt war.

2. Nach diesen Grundsätzen waren nur die auf den Antragsteller entfallenden Verluste der GmbH in Höhe der im Jahr 1996 geleisteten Bareinlage von 2 400 000 DM ausgleichsfähig. Sie waren im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1997 zu berücksichtigen.

Verlustanteile eines typisch stillen Gesellschafters sind nicht zu berücksichtigen, bevor der Jahresabschluss des Geschäftsinhabers festgestellt und der Verlustanteil des stillen Gesellschafters berechnet worden ist (, BFHE 151, 434, BStBl II 1988, 186). Hinzu kommen muss für den Regelfall, dass die Verlustanteile von der Einlage des stillen Gesellschafters abgebucht worden sind (, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724, unter II. B der Gründe, m.w.N., und vom VIII R 73/95, BFH/NV 1998, 300; zum Streitstand vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 20 Rz. 143). Die darüber hinausgehenden Verluste sind —zum — als lediglich verrechenbare Verluste i.S. von § 15a EStG gesondert festzustellen (§ 15a Abs. 4 EStG). Davon ist das FA im Ergebnis zutreffend ausgegangen.

Nicht zu berücksichtigen war die Bareinlage, die die stillen Gesellschafter als Treuhänder für Rechnung des Antragstellers 1997 geleistet haben. Zwar sind Einlagen im Wirtschaftsjahr der Verlustentstehung (hier: des Jahres 1997) grundsätzlich mit der Folge zu berücksichtigen, dass sich das am Ende des Jahres bestehende positive Kapitalkonto erhöht bzw. ein negatives Kapitalkonto vermindert (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226, und vom VIII R 39/94, BFH/NV 1998, 1078). Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Die Einlage betrifft nicht die Beteiligung I, sondern die Beteiligung II. Beide Beteiligungen sind jeweils für sich zu beurteilen. Das ergibt sich im Streitfall schon daraus, dass sich der Antragsteller am Unternehmen der GmbH über zwei verschiedene Treuhänder beteiligt hat. Dementsprechend gibt es auch kein einheitliches Kapitalkonto.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2002 S. 1577 Nr. 12
DStRE 2002 S. 1363 Nr. 22
StBp. 2010 S. 141 Nr. 5
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