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Grundlagen vom

Rangrücktritt

Bernd Rätke

A. Problemanalyse

1Ein Rangrücktritt eines Gläubigers soll die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verhindern. Der Rangrücktritt soll zu diesem Zweck erreichen, dass bei der Schuldnerin die Rangrücktrittsverbindlichkeit in einer Überschuldungsbilanz, die für die Beurteilung der Überschuldungslage maßgeblich ist, gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht ausgewiesen werden muss.

Der Rangrücktritt wird häufig zwischen einer Kapitalgesellschaft, in der Regel eine GmbH, und ihrem Gesellschafter vereinbart, der auf diese Weise verhindern will, dass seine Forderung zur Insolvenz der GmbH führt und damit seine Beteiligung wertlos wird. Ein Rangrücktritt kann aber auch mit einem Nicht-Gesellschafter vereinbart werden. Die insolvenzrechtlichen Anforderungen an einen Rangrücktritt werden in Gliederungspunkt B behandelt.

Steuerlich besteht die Gefahr, dass der Rangrücktritt zu einer gewinnerhöhenden Auflösung der Verbindlichkeit führt und damit eine Steuerbelastung auslöst, die die Gefahr einer Insolvenz erhöht und den mit dem Rangrücktritt verfolgten Zweck konterkariert. Diese Gefahr erhöht sich, wenn entweder kein ausreichender Verlustvortrag vorhanden ist oder wenn die Gewinnerhöhung die Grenze von 1 Mio. € übersteigt und damit die Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 EStG greift. Die Gewinnerhöhung kann sich zwar grd. nicht als Folge des Maßgeblichkeitsgrundsatzes aufgrund einer Auflösung in der Handelsbilanz ergeben (s. Rz. 35 ff.), wohl aber aufgrund einer Anwendung des Passivierungsverbots des § 5 Abs. 2a EStG (s. Rz. 46 ff.).

Bei der Formulierung eines Rangrücktritts sollte darauf geachtet werden, dass die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen für den Rangrücktritt erfüllt werden, ohne dass es zu einer Gewinnerhöhung und damit Steuerbelastung kommt (s. Formulierungsvorschlag Rz. 90).

Der Rangrücktritt kann sich auch beim Gläubiger auswirken, wenn er Gesellschafter ist; die steuerliche Auswirkung hängt davon ab, ob die Rangrücktrittsforderung zum Betriebsvermögen des Gläubigers oder zum Privatvermögen des Gläubigers gehört (s. Rz. 80 ff.).

B. Der Rangrücktritt im Insolvenzrecht

I. Insolvenzrechtliche Grundlagen

1. Entwicklung der insolvenzrechtlichen Grundlagen
a) Rangrücktritt

2Bis zum Inkrafttreten des MoMiG am gab es keine gesetzliche Regelung zum Rangrücktritt. Erst durch das MoMiG wurde der Rangrücktritt in § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO als Vereinbarung des Nachrangs im Insolvenzverfahren erwähnt, aber nicht definiert.

b) Nachrangigkeit von Gesellschafterforderungen im Konkurs- und Insolvenzverfahren

3Mit der zum in Kraft getretenen InsO, die die KO ablöste, wurde in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO i. d. F. vom eine gesetzliche Nachrangigkeit für eigenkapitalersetzende Darlehen i. S. v. § 32a GmbHG a. F. eingeführt.

Eine allgemeine gesetzliche Nachrangigkeit aller Gesellschafterforderungen, unabhängig von ihrem eigenkapitalersetzenden Charakter, wurde erst durch das MoMiG eingeführt, indem § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zum geändert wurde. Damit einher ging die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts in § 32a GmbHG a. F.

2. Der Rangrücktritt vor dem Inkrafttreten des MoMiG
a) Der einfache Rangrücktritt

4 Ursprünglich – nämlich bis zu einer Rechtsprechungsänderung im Jahr 2001 (s. Rz. 5) – genügte insolvenzrechtlich ein „einfacher“ Rangrücktritt, mit dem der Gläubiger in seinem Forderungsrang gegenüber den anderen Gläubigern zurücktrat. Der Gesellschafter musste also lediglich erklären, dass er mit seiner Forderung (oder eines bestimmten Teil seiner Forderung) bis zur Beendigung der wirtschaftlichen Krise im Rang hinter die Forderungen der übrigen Gläubiger zurücktritt; d.h. die Forderung wurde wie eine eigenkapitalersetzende Darlehensforderung behandelt.

Die mit einem einfachen Rangrücktritt versehene Verbindlichkeit wurde einem eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gleichgestellt, das vom Gesellschafter nach § 32a GmbHG nicht zurückgefordert werden konnte, wenn es in der Krise hingegeben wurde. Aufgrund des Rangrücktritts kam es damit zu einer Gleichsetzung mit funktionalem (eigenkapitalersetzendem) Eigenkapital.

b) Der qualifizierte Rangrücktritt

5Im Jahr 2001 traf der BGH zwei Grundsatzentscheidungen zum Rangrücktritt unter dem Geltungsbereich der KO, die nach dem BGH aber auch für die zum in Kraft getretene InsO galten. Der BGH verlangte nun erstmals einen sog. qualifizierten Rangrücktritt, um einen Ausweis der Verbindlichkeit in der Überschuldungsbilanz zu vermeiden. Es genügte also nicht mehr ein „einfacher“ Rangrücktritt, mit dem der Gläubiger (GmbH-Gesellschafter) mit seiner Forderung lediglich hinter die Forderungen der anderen Gläubiger zurücktritt, wie dies bis zum Jahr 2001 als ausreichend angesehen wurde (s. Rz. 4), sondern der Gläubiger musste erklären, dass sein Anspruch „nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter“ berücksichtigt werden soll. Aufgrund dieser Erklärung wurde die Forderung des GmbH-Gesellschafters wie statuarisches Kapital, d.h. Eigenkapital, behandelt.

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