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NWB Nr. 12 vom Seite 825

Schätzungen im Steuerstrafverfahren

Bedeutung des für die Praxis

Dirk Beyer

[i]Haas, Auf Augenhöhe mit dem Betriebsprüfer – Schätzungsmethoden, Grundlagen, NWB ZAAAG-69050 Mit der Weiterentwicklung der Software der Betriebsprüfungsstellen ändern sich auch die Verprobungs- und Schätzungsmethoden. Verprobungen können zudem schneller durchgeführt werden und die Praxis zeigt, dass von Unternehmern als unverhältnismäßig hoch empfundene Schätzungen öfter als früher im Raum stehen. Diese Umstände verlangen eine vermehrte Kontrolle durch Berater und gerichtliche Instanzen. Die Finanzgerichte hatten in letzter Zeit mehrmals Gelegenheit, zu Schätzungsfragen Stellung zu nehmen und haben ihre Rechtsprechung konkretisiert. Des Weiteren wurden auch aus dem Bundestag und in der Literatur kritische Fragen zur Transparenz der amtlichen Richtsatzsammlung als Datenbasis für Verprobungen und Schätzungen gestellt. Es war insofern nur eine Frage der Zeit, bis auch der BGH als höchstes Strafgericht die Möglichkeit bekam, sich zu Schätzungsfragen und insbesondere zur Richtsatzsammlung zu äußern. Nunmehr [i]Beyer, NWB 48/2019 S. 3479hat er seine bisherige Rechtsprechung mit Urteil v.  - 1 StR 265/18 ( NWB CAAAH-39186) konkretisiert und im Wesentlichen bestätigt. Der BGH hat die mehrfach vorgetragene Kritik an der Richtsatzsammlung nicht genauer aufgegriffen. Für die Praxis der Steuerstrafverteidigung ist es von enormer Wichtigkeit, die Ausführungen des BGH zu kennen, damit unberechtigte Schätzungen abgewehrt werden können.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie hier.

I.

1. Sachverhalt

Der geständige Angeklagte B führte zusammen mit seiner freigesprochenen Mutter A eine Reederei in der Rechtsform einer OHG, die ein Fahrgastschiff betrieb. Die Hafenrund- und Kurzfahrten führten zu Erlösen aus Fahrkarten, Gastronomie und einem Kiosk. Von den Erlösen aus Fahrkartenverkauf und Gastronomie entnahm B täglich teilweise nach Betriebsschluss einen Teil aus der Kasse. Nur den Restbetrag ließ er im Kassenbuch eintragen und anschließend von seinem Steuerberater, dem Angeklagten H, verbuchen, der von den Entnahmen nichts wusste. Die Erlöse aus dem Kiosk waren vollständig in den Jahresabschlüssen der OHG enthalten. Jedoch ging B davon aus, dass die Erlöse aus dem Kiosk umsatzsteuerfrei waren, da H ihm diese Rechtsauskunft gegeben hatte. Das Landgericht war von einem Gesamtverkürzungsbetrag in Höhe von 1,248 Mio. € ausgegangen und hatte B wegen Hinterziehung der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer (einschließlich der Umsätze aus dem Kiosk) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Steuerberater H wurde durch das Landgericht wegen Beihilfe zur Hinterziehung der Umsatzsteuer des B S. 826(Kioskumsätze) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Zur Ermittlung der Fahrkartenerlöse hat das Landgericht die dem Hauptzollamt zur „Warenfreigabe aus dem Zollverschluss“ von B gemeldeten Passagierzahlen mit den vom Angeklagten B genannten Fahrkartenpreisen multipliziert. Hiervon hat es einen Sicherheitsabschlag von 10 % vorgenommen. Die Gastronomieerlöse hat das Landgericht in der Weise ermittelt, dass es die Zahlen für den Wareneinkauf herangezogen hat, die (mit Ausnahme eines Jahres) festgestellt werden konnten. Anhand des Vergleichs der Preise aus den vorhandenen Speisekarten mit den Einkaufszahlen hat das Landgericht durch eine Steueramtsfrau einen Rohgewinnaufschlagsatz von 586 % ermitteln lassen und diesen in einem ersten Schritt zugunsten der Angeklagten auf 359 % gemindert. Hierbei handelt es sich um den durchschnittlichen Aufschlagssatz aus dem Vergleich von Cafés (400 %) und Gaststätten (317 %) laut der amtlichen Richtsatzsammlung. In einem zweiten Schritt ist das Landgericht dann von einem Rohgewinnaufschlagsatz von 317 % ausgegangen, um weitere Unwägbarkeiten zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigen. Die Kioskerlöse hat das Landgericht den Jahresabschlüssen der OHG entnommen, weil es insoweit keine Zweifel an der Vollständigkeit hatte.

2. Entscheidung

[i]BGH hob das Urteil aufDer BGH hat aufgrund der Revision des Angeklagten B das Urteil wegen einzelner Taten aufgehoben und alle Einzelstrafen aufgehoben, um dem neuen Tatgericht eine insgesamt stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Aufgrund der Revision des Angeklagten H (Steuerberater) hat der BGH das ihn verurteilende Urteil aufgehoben, damit das neue Tatgericht die Tatbeteiligung des H näher aufklären kann.