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WP Praxis Nr. 2 vom Seite 53

Prüfungsschwerpunkte der DPR für 2021

Fehlervermeidungspotenzial in der Finanzberichterstattung

WP/StB Prof. Dr. Hans Lieck

Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. hat ihre Schwerpunkte für die in 2021 vorzunehmenden Prüfungen der Konzernabschlüsse für das Geschäftsjahr 2020 veröffentlicht. Die Prüfungsschwerpunkte unter Berücksichtigung der von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) veröffentlichten gemeinsamen europäischen Enforcement-Prioritäten sollen zu einer Verbesserung der Finanzberichterstattung, einer Vermeidung von Fehlern bei der Bilanzierung und einer einheitlichen Anwendung der IFRS in Europa beitragen.

Wiechers, Checkliste für die Aufstellung eines Lageberichts, NWB EAAAE-40171

Kernaussagen
  • Eine transparente Darstellung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die finanzielle Performance, Cashflows und Vermögenswerte und Schulden der Unternehmen steht im Mittelpunkt der Prüfungsschwerpunkte.

  • Angaben zu den Annahmen bezüglich der Unternehmensfortführung, zu wesentlichen Ermessensentscheidungen und Schätzungsunsicherheiten, zu Liquiditäts- und Marktrisiken sowie zu Miet- bzw. Leasingzugeständnissen ist eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

  • Eine besondere Fehleranfälligkeit der Abschlüsse besteht bei den nach IAS 24 erforderlichen Angaben über Beziehungen zu nahestehenden Unternehmen und Personen.

I. Hintergrund

Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. ist seit 2005 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz damit betraut, Jahres- und Konzernabschlüsse sowie die dazugehörigen Lageberichte zu prüfen. Betroffen sind Unternehmen, die als Emittenten von bestimmten zugelassenen Wertpapieren i. S. des § 2 Abs. 1 WpHG Deutschland als Herkunftsstaat haben (vgl. § 342b Abs. 2 HGB). Durch sog. Enforcement-Prüfungen von ausgewählten Konzern- bzw. Jahresabschlüssen nach bereits erfolgter Prüfung durch einen Abschlussprüfer und den Aufsichtsrat soll die Qualität der Rechnungslegung verbessert und das Vertrauen des Kapitalmarkts in die Richtigkeit der Abschlüsse gestärkt werden.

Von der DPR sollen Prüfungen aus einer gezogenen Stichprobe, auf Verlangen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder aus konkretem Anlass eingeleitet werden (§ 342b Abs. 2 Satz 3 HGB). Anlassprüfungen und Prüfungen auf Verlangen der BaFin sollen nach den DPR eigenen Grundsätzen aus 2018 Vorrang vor Stichprobenprüfungen haben.

Die Auswahl der Unternehmen für die Prüfung soll in einem dreistufigen System erfolgen. Auf der 1. Stufe soll eine risikoorientierte Auswahl erfolgen. Bei einem konkreten Anhaltspunkt für eine fehlerhafte Rechnungslegung und bestehendem öffentlichen Interesse soll die DPR sogleich eine Anlassprüfung einleiten. Konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften können sich aus Mitteilungen der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS, § 66c WPO) und von Whistleblowern oder aus veröffentlichten Nachrichten ergeben. Unternehmen mit abstrakten Risiken, z. B. aufgrund eines erstmaligen Listings, wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Transaktionen oder Auffälligkeiten in vorhergehenden Enforcement-Prüfungen, bilden eine Risikogruppe. Aus der Risikogruppe wird einmal im Jahr eine Zufallsauswahl im Umfang von 40 % gezogen.

In einer 2. Stufe sollen durch eine Auswahl mittels eines geschichteten Stichprobenverfahrens Unternehmen aus dem DAX, MDAX und SDAX innerhalb von vier bis fünf Jahren und die übrigen Unternehmen innerhalb von acht bis zehn Jahren geprüft werden. Auf einer 3. Stufe werden nochmals alle Unternehmen erfasst, die in dem betreffenden Jahr nicht auf der 1. und 2. Stufe ausgewählt wurden. Aus dieser Gruppe wird einmal jährlich eine Zufallsauswahl von zehn Unternehmen gezogen. Hiervon werden drei so ausgewählt, dass S. 54keine übermäßige Belastung eines Unternehmens durch das Enforcement eintritt. Damit soll sichergestellt werden, dass jedes Unternehmen jederzeit zur Überprüfung ausgewählt werden kann.

Prüfungsgegenstand der DPR sind folgende Abschlüsse und Berichte, jeweils einschließlich der zugrunde liegenden Buchführung:

  • der zuletzt festgestellte und offengelegte Jahresabschluss und der zugehörige Lagebericht;

  • der zuletzt offengelegte IFRS-Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB und der zugehörige Lagebericht;

  • der zuletzt gebilligte und offengelegte Konzernabschluss und der zugehörige Konzernlagebericht.

Gegebenenfalls können auch der zuletzt veröffentlichte verkürzte Abschluss und der zugehörige Zwischenlagebericht (Halbjahresfinanzberichterstattung) sowie veröffentlichte Zahlungsberichte oder Konzernzahlungsberichte und Abschlüsse und Berichte für das vorausgehende Geschäftsjahr bei konkreten Anhaltspunkten oder auf Verlangen der BaFin sein, nicht jedoch im Rahmen einer stichprobenartigen Prüfung (vgl. § 342b Abs. 2 und Abs. 2a HGB).

Die DPR hat in ca. 16 % der im Zeitraum 2016 bis 2019 abgeschlossenen Prüfungen eine fehlerhafte Rechnungslegung festgestellt. Stimmen die betroffenen Unternehmen den Feststellungen der DPR zu, ordnet die BaFin i. d. R. deren Veröffentlichung im Bundesanzeiger an (§ 109 WpHG). Wenn ein Unternehmen den Feststellungen der DPR hinsichtlich der Bilanzierung nicht zustimmt, an einer Prüfung durch die DPR nicht mitwirkt, z. B. angeforderte Informationen nicht bereitstellt, oder die BaFin erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfungsergebnisses der DPR oder an der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung durch die DPR hat, kann die BaFin Prüfungshandlungen mit hoheitlichen Mitteln durchführen (§ 108 WpHG).

Der Anerkennungsvertrag zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und der DPR zur Durchführung der Enforcement-Prüfungen auf Grundlage des § 342b HGB ist im Zuge der Causa Wirecard zum gekündigt worden.

Hinweis

Das Bundeskabinett hat am einen vom Bundesministerium der Finanzen und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) beschlossen, welches am in Kraft treten soll.

Durch das FISG soll u. a. das bisherige zweistufige Enforcement-Verfahren, mit der Prüfung auf der 1. Stufe durch die privatrechtlich organisierte DPR und erst auf der 2. Stufe mit hoheitlichen Mitteln der BaFin, verändert werden. Nach dem Gesetzentwurf besteht weiterhin die Möglichkeit, eine privatrechtlich organisierte Prüfstelle, wie z. B. wieder die DPR, zur Prüfung von Verstößen gegen Rechnungslegungsvorschriften anzuerkennen (§ 107a WpHG-E). Ist eine Prüfstelle anerkannt, soll diese für Stichprobenprüfungen zuständig sein (§ 107a Abs. 4 Satz 1 WpHG-E). Prüfungen aus Anlass konkreter Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften (Anlassprüfungen) soll künftig allein die BaFin einleiten (§ 107 Abs. 1 WpHG). Nach § 107 Abs. 4 WpHG kann sich die BaFin bei der Durchführung der Prüfungen der Prüfstelle sowie anderer Einrichtungen und Personen bedienen.

Zu den Aufgaben der ESMA gehört u. a. die Koordination der Tätigkeit der nationalen Enforcement-Institutionen der EU. Damit soll eine Harmonisierung des Enforcements zur Vermeidung von Regulierungsarbitrage und eine einheitliche Anwendung der IFRS in der EU erreicht werden. Zur Harmonisierung werden im Rahmen von sog. European Enforcers Coordination Sessions (EECS) konkrete Fälle in anonymisierter Form besprochen. Auszüge ausgewählter einzelner Entscheidungen von nationalen Enforcern werden von der ESMA veröffentlicht, nicht jedoch die deutschen Feststellungen der DPR oder der BaFin zu Rechnungslegungsfehlern. Diese werden von den Unternehmen im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Darüber hinaus erarbeitet die ESMA Stellungnahmen zu bestimmten Rechnungslegungsfragen. Abschlüsse bestimmter europäischer kapitalmarktorientierter Unternehmen werden von der ESMA hinsichtlich ausgewählter IFRS-Vorschriften in Zusammenarbeit mit den nationalen Enforcern durchgesehen. Die ESMA führt allerdings selbst keine konkreten Prüfungen durch. Dies ist den jeweiligen nationalen Enforcement-Institutionen vorbehalten.

Die ESMA veröffentlichte Ende Oktober 2020 europäische Enforcement-Prioritäten für 2021. Diese wurden in Zusammenarbeit mit den europäischen nationalen Enforcern festgelegt. Bei der Auswahl der Prüfungsschwerpunkte spielen die bisherigen Erfahrungen in Bezug auf Sachverhalte mit einer hohen Fehlerträchtigkeit, einer verbesserungswürdigen Berichterstattung, neu anzuwendenden Standards oder Risiken aus der aktuellen wirtschaftliche Lagen eine bedeutende Rolle. S. 55

Bei den gemeinsamen europäischen Prüfungsschwerpunkten für 2021 handelt es sich in Bezug auf die IFRS-(Konzern-)Abschlüsse vor dem Hintergrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandmie um die Anwendung folgender IFRS/IAS: