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WP Praxis Nr. 3 vom Seite 83

Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems

Neufassung des IDW PS 340

Professor Dr. Mathias Graumann

Das IDW hat mit Stand vom eine Neufassung des auf das KonTraG im Jahre 1999 zurückgehenden IDW PS 340 „Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB“ vorgelegt. Die verabschiedete Überarbeitung trägt der Fortentwicklung der Unternehmenspraxis bei der Einrichtung und Prüfung von Corporate-Governance-Systemen Rechnung. Im Folgenden wird die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach IDW PS 340 n. F. erläutert.

Graumann, Wirtschaftliches Prüfungswesen, 6. Aufl. 2020, Kap. VI.2, NWB WAAAH-45924

Kernaussagen
  • Der IDW PS 340 n. F. wurde gegenüber seinem Vorgänger deutlich erweitert. Insbesondere wurden Prüfungsziele und Prüfungshandlungen in Bezug auf die Elemente des Risikofrüherkennungssystems detailliert.

  • Die Neufassung stellt insbesondere für die Vertreter der zu prüfenden Unternehmen ein wertvolles Hilfsmittel zur proaktiven Konzeption und Implementierung eines rechtskonformen Risikofrüherkennungssystems dar.

  • Aber auch dem Aufsichtsrat ist ein deutlich konkreteres Instrumentarium als bislang an die Hand gegeben worden, um den Reifegrad eines vorhandenen Risikofrüherkennungssystems im Rahmen interner Prüfungen zu beurteilen.

I. Einführung

Der alte Prüfungsstandard IDW PS 340 wurde aufgrund der seinerzeitigen Einführung der § 91 Abs. 2 AktG, §§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB erforderlich. Die verabschiedete Überarbeitung trägt der Fortentwicklung der Unternehmenspraxis bei der Einrichtung und Prüfung von Corporate-Governance-Systemen Rechnung und berücksichtigt weitere Neuentwicklungen (vgl. hierzu im Einzelnen http://go.nwb.de/s6tv6).

Der IDW PS 340 n. F. ist erstmals für Abschlussprüfungen von Berichtszeiträumen anzuwenden, die nach dem beginnen.

II. Rechtliche Grundlagen und Aufgaben des Risikofrüherkennungssystems

§ 91 Abs. 2 AktG verpflichtet den Vorstand einer AG zur Einrichtung eines Überwachungssystems, damit „den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden“. Die im Rahmen des KonTraG eingefügte Vorschrift hat deklaratorischen Charakter und konkretisiert nur die seit jeher bestehende Vorstandspflicht zur Einrichtung eines angemessenen Risikomanagements und einer angemessenen internen Revision im Rahmen seiner Leitungsaufgaben (§§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG).

Ausdrücklich wurde in der amtlichen Gesetzesbegründung die Regelung nicht auf die AG beschränkt, sondern auf andere Rechtsformen je nach Größe und Komplexität des Geschäftsbetriebs ausgeweitet. Sie strahlt somit auf den Pflichtenrahmen der Geschäftsführer anderer Gesellschaftsrechtsformen aus, insbesondere die GmbH (§ 43 Abs. 1 GmbHG) und die Genossenschaft (§ 34 Abs. 1 Satz 1 GenG).

Bei der Abschlussprüfung börsennotierter AG ist nach § 317 Abs. 4 HGB zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen in geeigneter Weise getroffen hat und das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann. § 321 Abs. 4 HGB schreibt eine korrespondierende Berichterstattung im Prüfungsbericht vor.

Ziel der Regelungen nach § 91 Abs. 2 AktG ist die frühzeitige Erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen durch die zuständigen Entscheidungsträger und die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Risikoabwehr zu einem Zeitpunkt, an dem die Bestandsgefährdung des Unternehmens noch abgewehrt werden kann. Aus diesem Grund bildet das Frühwarnsystem das wesentliche Element des Risikofrüherkennungssystems.

Ein Risiko wird als Möglichkeit ungünstiger künftiger „Entwicklungen oder Ereignisse, die zu einer für das Unternehmen S. 84negativen Zielabweichung führen können“, definiert. Die im Rahmen des Risikofrüherkennungssystems zu treffenden Maßnahmen betreffen die Gesamtheit der Regelungen, Grundsätze und Verfahren zur frühzeitigen Identifizierung, Bewertung, Steuerung und Überwachung bestandsgefährdender Entwicklungen.

Die Prüfung der Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG setzt eine Definition bestandsgefährdender Entwicklungen i. S. des IDW PS 270 n. F. voraus. Hierfür ist eine Bestimmung der unternehmensindividuellen Risikotragfähigkeit durch den Vorstand erforderlich. Dies stellt einen unverzichtbaren Prozessschritt des Risikofrüherkennungssystems dar. In Bezug auf die Risikobeurteilung ist außerdem Folgendes sicherzustellen: