Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - VI 316 - S 3014 c - 006

Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) von Feststellungsbescheiden der Bedarfsbewertung in Erbbaurechtsfällen und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden; Verfassungsmäßigkeit des § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG

Im Hinblick auf den (BStBl 2002 II S. 844), in dem dieser ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG geäußert hat, ist ab sofort Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung von Feststellungsbescheiden der Bedarfsbewertung in Fällen des § 148 BewG zu entsprechen, wenn die Bedarfswerte erkennbar den Verkehrswert übersteigen.

Die Aussetzung der Vollziehung ist auf den Teil zu beschränken, um den der festgestellte Bedarfswert den Verkehrswert übersteigt. Zur Bestimmung des Aussetzungsbetrages ist regelmäßig ein Verkehrswertnachweis nicht erforderlich. Geeigneten Angaben des Steuerpflichtigen zur Höhe des Verkehrswerts ist zu folgen.

Der gleich lautende Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder ist im BStBl 2002 Teil I Seite 1381 veröffentlicht.

Ergänzende Hinweise für die Finanzämter:

Um Steuerpflichtigen in Fällen einer erkennbaren Überbewertung von Erbbaurechten und Gebäuden auf fremdem Grund und Boden den Nachweis eines geringeren gemeinen Werts im AdV-Verfahren zu erleichtern, hat die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg nachstehende Regelung herausgegeben. Das FinMin hat keine Bedenken, wenn zur streitvermeidenden Erledigung einschlägiger Fälle der Grundbesitzwert in Anwendung dieser Regelung ermittelt wird:

1. Aufteilung des Gesamtwerts

1.1. Wurde der Gesamtwert nach § 146 BewG ermittelt, ist dieser nach folgender Maßgabe zu verteilen:


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Gebäude
Grund und Boden
bei Wohngrundstücken bis zu 2 Wohnungen
60 v.H.
40 v.H.
bei anderen Grundstücken
80 v.H.
20 v.H.

1.2. In den Sonderfällen des § 147 BewG gelten die angesetzten Werte.

2. Zuordnung des Bodenwerts

Der sich nach Tz. 1 ergebende Wert des Grund und Bodens entfällt auf die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks.

3. Zuordnung des Gebäudewerts

3.1. Der Gebäudewert entfällt allein auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts, wenn die Dauer dieses Rechts im Besteuerungszeitpunkt mindestens 40 Jahre beträgt oder der Eigentümer des belasteten Grundstücks bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf eine dem Wert des Gebäudes entsprechende Entschädigung zu leisten hat.

3.2. Beträgt die Dauer des Erbbaurechts weniger als 40 Jahre und ist eine Entschädigung ausgeschlossen, ist der Gebäudewert zu verteilen. Dabei entfallen auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts bei einer Dauer dieses Rechts


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unter 40 bis zu 35 Jahren
90 v.H.
unter 35 bis zu 30 Jahren
85 v.H.
Unter 30 bis zu 25 Jahren
80 v.H.
unter 25 bis zu 20 Jahren
70 v.H.
unter 20 bis zu 15 Jahren
60 v.H.
unter 15 bis zu 10 Jahren
50 v.H.
unter 10 bis zu 8 Jahren
40 v.H.
unter 8 bis zu 7 Jahren
35 v.H.
unter 7 bis zu 6 Jahren
30 v.H.
unter 6 bis zu 5 Jahren
25 v.H.
unter 5 bis zu 4 Jahren
20 v.H.
unter 4 bis zu 3 Jahren
15 v.H.
unter 3 bis zu 2 Jahren
10 v.H.
unter 2 Jahren bis zu einem Jahr
5 v.H.
unter einem Jahr
0 v.H.

Auf die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks entfällt der verbleibende Teil des Gebäudewerts.

3.3. Beträgt die Entschädigung für das Gebäude beim Übergang nur einen Teil des gemeinen Werts, ist der dem Eigentümer des belasteten Grundstücks entschädigungslos zufallende Anteil entsprechend zu verteilen. Eine in der Höhe des Erbbauzinses zum Ausdruck kommende Entschädigung für den gemeinen Wert des Gebäudes bleibt außer Betracht.

4. Die vorstehenden Ausführungen sind sinngemäß bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden (§ 148 Abs. 2 BewG) anzuwenden.

5. Beispiel 1 (Erbbaurecht):

Zum Nachlass des am verstorbenen Erblassers gehört ein Erbbaurecht (jährlicher Erbbauzins im Besteuerungs-/Feststellungszeitpunkt 10.000 €). Die in den letzten drei Jahren vor dem Erwerbszeitpunkt erzielte Jahresmiete für das in Ausübung des Erbbaurechts vor 20 Jahren errichtete Mehrfamilienhaus beträgt 75.000 €. Das Erbbaurecht hat im Besteuerungszeitpunkt noch eine Restlaufzeit von 6 Jahren und 9 Monaten. Das Gebäude geht bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf entschädigungslos auf den Eigentümer des belasteten Grundstücks über.


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Ermittlung des Grundbesitzwerts für das Erbbaurecht nach § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG:
Jahresmiete (§ 146 Abs. 2 BewG) × Vervielfältiger 75.000 € × 12,5
937.500 €
-
Wertminderung wegen Alters (§ 146 Abs. 4 BewG) 10 %
93.750 €
Gesamtwert
843,750 €
-
Wert des belasteten Grundstücks (10.000 € × 18,6)
186.000 €
657.750 €
Grundbesitzwert § 139 BewG
657.500 €
Ermittlung des Grundbesitzwerts für das Erbbaurecht nach vorstehender Regelung:
Gesamtwert nach § 146 BewG (wie vor)
843.750 €
hiervon entfallen auf das Gebäude 80 v.H. (vgl. Tz. 1):
675.000 €
Die Restlaufzeit des Erbbaurechts beträgt im Feststellungszeitpunkt weniger als 40 Jahre. Damit ist der Gebäudewert zu verteilen (vgl. Tz. 3.2). Auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts entfallen damit 30 %
202.500 €
Grundbesitzwert § 139 BewG
202.500 €
Aussetzungsbetrag § 361 AO, soweit kein niedrigerer gemeiner Wert für das Erbbaurecht nachgewiesen wird.
455.000 €

Beispiel 2 (Grund und Boden mit fremdem Gebäude):

Ein Schenker überträgt seinem Sohn am im Wege der freigebigen Zuwendung ein Grundstück, auf dem ein fremder Dritter ein Fabrikgebäude errichtet hat. Die Laufzeit des Pachtvertrages beträgt im Besteuerungs-/Feststellungszeitpunkt noch 9 Jahre. Die jährlich zu entrichtende Pacht beträgt 21.000 €. Bei Beendigung des Pachtvertrages geht das Gebäude entschädigungslos auf den Eigentümer des Grund und Bodens über:


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Ermittlung des Grundbesitzwerts für den Grund und Boden mit fremdem Gebäude (§ 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG ):
Jahrespacht 21.000 € × 18,6
390.600 €
Grundbesitzwert § 139 BewG
390.500 €
Ermittlung des Gesamtwerts für das bebaute Grundstück nach § 147 BewG:
Gebäudewert It. Steuerbilanz im Feststellungszeitpunkt
20.000 €
Bodenwert 70 % von (1.000 m2 × 250 €/m2)
175.000 €
Gesamtwert
195.000 €
hiervon entfallen auf die wirtschaftliche Einheit ”Grund und Boden mit fremdem Gebäude”:
Bodenwert (vgl. Tz. 2):
175.000 €
Gebäudewert (die Restlaufzeit des Pachtvertrages beträgt im Feststellungszeitpunkt weniger als 40 Jahre. Damit ist der Gebäudewert zu verteilen (vgl. Tz. 3.2). Auf die wirtschaftliche Einheit entfallen damit 60 % (vgl. Tz. 3.2. letzter Satz) des Gebäudewerts
12.000 €
Wert der wirtschaftlichen Einheit
187.000 €
Grundbesitzwert § 139 BewG
187.000 €
Aussetzungsbetrag § 361 AO, soweit kein niedrigerer gemeiner Wert für das Grundstück nachgewiesen wird.
203.500 €

Das FinMin bittet, die Finanzämter entsprechend zu unterrichten

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