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StuB Nr. 9 vom Seite 329

Die jüngere BFH-Rechtsprechung zur teleologischen Reduktion von § 6 Abs. 5 Satz 4 bis 6 EStG

Anmerkungen zu den BFH-Urteilen vom 15.7.2021 - IV R 36/18 und vom 18.8.2021 - XI R 20/19, XI R 43/20

StB Falk Thörmer und Hanna Eitrich

Mit Urteil vom hat der IV. Senat des BFH die teleologische Reduktion bei Anwendung der Einschränkungen und Sperrfristen von § 6 Abs. 5 EStG in unterschiedlicher Hinsicht deutlich bestätigt und erweitert. Der zugrunde liegende Fall gab dem IV. Senat die Gelegenheit, sowohl den sachlichen Anwendungsbereich der Veräußerungssperrfrist (§ 6 Abs. 5 Satz 4 EStG) auszulegen, als auch die Notwendigkeit zur teleologischen Reduktion bei der Anwendung der „Körperschaftsteuerklauseln“ (§ 6 Abs. 5 Satz 5 f. EStG) zu bestätigen und zu erweitern. Mit zwei Urteilen vom hat der XI. Senat des BFH diese Rechtsprechung um eine weitere Facette der teleologischen Reduktion von Satz 6 ergänzt. Die Urteile und die weitreichenden Folgen, die sich aus der teleologischen Reduktion ergeben, sind Gegenstand des Beitrags.

, NWB OAAAH-93543, v.  - XI R 43/20, NWB OAAAI-05463, und v.  - XI R 20/19, NWB NAAAI-05459

Kernfragen
  • Bei welchen Übertragungen ist eine teleologische Reduktion bei der Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 5 und 6 EStG geboten?

  • Was ist bei einem Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft bzw. zukünftig bei der Option zur Körperschaftsteuer gem. § 1a KStG zu beachten?

  • Wie bemisst sich der rückwirkende Teilwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG und auf welchen Zeitpunkt ist hierfür abzustellen?

I. Einführung

[i]Hoheisel, Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG durch Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft, StuB 2/2022 S. 64, NWB EAAAI-01726Strahl, Teleologische Reduktion von § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG, NWB 10/2022 S. 653, NWB VAAAI-05692Hänsch, Übertragung und Überführung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nach § 6 Abs. 5 EStG, Grundlagen, NWB TAAAF-08006Teschke/Kraft, in: Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, 7. Aufl. 2022, § 6 Rz. 372, NWB UAAAH-96655 Die Besteuerung von Mitunternehmerschaften ist in weiten Teilen bis heute nur sehr spärlich gesetzlich verankert. Für die Praxis zentrale Begriffe wie den der Ergänzungsbilanz sind gesetzlich nicht definiert und werfen regelmäßig zahlreiche Fragen auf. Auch für die bilanziellen Auswirkungen der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen Mitunternehmer und Mitunternehmerschaft gab es bis zum Jahr 1999 keine gesetzliche Regelung. Vielmehr wurde in der Praxis der sog. Mitunternehmer-Erlass vom herangezogen, der ermöglichte, dass Übertragungen weitgehend erfolgsneutral durchgeführt werden und stille Reserven auf andere Mitunternehmer überspringen konnten. Mit dem StEntlG 1999/2000/2002 wurde diese Möglichkeit zwar zunächst unterbunden, aber bereits kurze Zeit später im Rahmen des StSenkG 2000 (bzw. modifiziert durch das UntStFG 2001) wieder eingeführt. Herausgekommen ist eine in hohem Maße auslegungsbedürftige Norm, die zunehmend auch die Finanzgerichte beschäftigt. S. 330

Strittig waren u. a. die möglichen Übertragungswege und vor allem die Frage, ob eine Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen (beteiligungsidentischen) Schwesterpersonengesellschaften zum Buchwert möglich ist. Eine Frage, die schließlich in einem Streit zwischen dem I. und IV. Senat des BFH mündete und seit dem Jahr 2013 beim BVerfG anhängig ist. Einigkeit herrschte demgegenüber innerhalb des BFH bei der teleologischen Reduktion von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG im Falle einer „Einmann-GmbH & Co. KG“. So entschieden der I. Senat im Jahr 2013 und der IV. Senat im Jahr 2014, dass die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG bei einem zu 100 % beteiligten Gesellschafter nicht rückwirkend aufgehoben wird, weil dieser (entgegen dem Wortlaut) keine Ergänzungsbilanz aufgestellt hat.

Die Notwendigkeit zur teleologischen Reduktion bei der Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG hat sich auch in dem in allerdings anderer Hinsicht – bestätigt. Vorinstanzlich hatte das FG Niedersachsen zunächst mit Urteil vom u. a. entschieden, dass ein rückwirkender Teilwertansatz gem. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG bei mehrstöckiger Personengesellschaft aufgrund formwechselnder Umwandlung einer Personenobergesellschaft in eine Kapitalgesellschaft erfolgt. Das Revisionsverfahren nutzte der IV. Senat des BFH, um umfangreich zu verschiedenen Fragen im Kontext von § 6 Abs. 5 Sätze 3 bis 6 EStG Stellung zu nehmen.

Mit zwei weiteren Urteilen vom hat der XI. Senat seinerseits zur teleologischen Reduktion des Normkomplexes beigetragen, wobei diese Entscheidungen deutlich spezifischer waren und auf die Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG im Falle einer vollentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen beschränkt sind.

Insgesamt orientieren sich alle drei Urteile insbesondere am Sinn und Zweck der Norm und setzen dem weiten Wortlaut der Sätze 4 bis 6 verschiedene Grenzen, die deutlich zu mehr Rechtssicherheit beitragen können und auch ein neues Licht auf weitere Rechtsfragen werfen, die selbst nicht Gegenstand der Entscheidungen waren.