BFH Urteil v. - I R 24/05

Voraussetzungen für Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei urlaubsbedingter Fristversäumnis; Beschwer bei Verrechnung positiver Einkünfte mit Verlusten

Gesetze: FGO § 56; EStG § 23

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die steuerlichen Folgen einer Zuteilung von Aktien.

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2000) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie besaßen seit Oktober 1999 Aktien einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft (X). Diese war ihrerseits Mehrheitsgesellschafterin der ebenfalls amerikanischen Y-Inc.

Im Juli 2000 teilte die X ihren Anteilseignern sämtliche bisher in ihrem Besitz befindlichen Y-Aktien zu, und zwar im Verhältnis von ca. 1,48 Y-Aktien für jede X-Aktie. Die Anteilseigner mussten dafür keine eigene Leistung erbringen. Die Kläger erwarben auf diese Weise 444,963 Stück Y-Aktien, von denen sie im September 2000 244 Stück zum Kurswert von 12 200 US-$ verkauften.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt FA—) behandelte die Zuteilung der Y-Aktien durch die X als Gewinnausschüttung und erfasste deshalb im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr entsprechende Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen. Außerdem sah er die Veräußerung der 244 Y-Aktien als privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an; der insoweit berücksichtigte Gewinn wirkte sich allerdings wegen einer Verrechnung mit Vorjahresverlusten nicht auf die festgesetzte Einkommensteuer aus. Die gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtete Klage hatte nur zum Teil Erfolg: Das Finanzgericht (FG) entschied, dass zwar die Zuteilung der Y-Aktien zu Einkünften aus Kapitalvermögen, die anschließende Veräußerung aber nicht zu einem steuerpflichtigen Gewinn geführt habe. Das ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1047 abgedruckt.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerden beider Beteiligten hat der erkennende Senat die Revision gegen das Urteil des FG zugelassen. Der Zulassungsbeschluss wurde dem Bevollmächtigten der Kläger am und dem FA am zugestellt. Daraufhin hat das FA mit Schriftsatz vom , der beim Bundesfinanzhof (BFH) am (Dienstag nach Pfingsten) einging, seine Revision begründet. Eine vom datierende Revisionsbegründung der Kläger ist am beim BFH eingegangen.

Zuvor hatten die Kläger am per Telefax die erste Seite der Revisionsbegründungsschrift übersandt, die weder unterzeichnet ist noch inhaltliche Ausführungen zur Problematik des Streitfalls enthält. Der Senatsvorsitzende hat den Bevollmächtigten der Kläger daraufhin mit Schreiben vom darauf hingewiesen, dass durch das Telefax-Schreiben die Revisionsbegründungsfrist möglicherweise nicht gewahrt worden sei; das Vorsitzendenschreiben wurde ausweislich einer Postzustellungsurkunde am in den Hausbriefkasten des Bevollmächtigten eingelegt. Mit einem vom datierenden Schreiben, das am per Telefax beim BFH einging, haben die Kläger wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung dieses Antrags vorgetragen:

Das Schreiben mit der Revisionsbegründung sei am vollständig und unterzeichnet an das Gericht gefaxt worden. Da beim ersten Versuch die durch das Telefaxgerät bestätigte Seitenzahl nicht mit der Zahl der tatsächlich gesendeten Seiten übereingestimmt habe, sei die gesamte Sendung wiederholt worden. Daher sei der nur teilweise Empfang nicht erklärbar.

Von dem Vorsitzendenschreiben habe der Bevollmächtigte erst am Kenntnis erlangt. Er sei nämlich vom an urlaubsbedingt im Ausland gewesen und erst am zurückgekehrt. Vom an sei sein Haus von zwei zuverlässigen Personen gehütet worden, die den Bevollmächtigten aber nicht vom Eingang der zugestellten Sendung unterrichtet hätten, obwohl wiederholt telefonischer Kontakt mit ihnen bestanden habe. Auch der Nachbar des Bevollmächtigten, der bei Leerstehen des Hauses den Hausbriefkasten leere und mit dem ebenfalls während des Urlaubs Telefonate geführt worden seien, habe dabei nicht vom Eingang der Sendung berichtet. Eingehende Post sei dem Bevollmächtigten zwar auf Grund eines Nachsendeauftrags an den Urlaubsort nachgesandt worden; bei der hier in Rede stehenden Sendung sei dies aber offenbar deshalb unterblieben, weil auf der Sendung angekreuzt gewesen sei, dass sie nur im Inland nachgesandt werden solle.

Sowohl die Kläger als auch das FA rügen eine Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass die Zuweisung von Aktien der Y-Inc. nicht als steuerpflichtiger Kapitalertrag berücksichtigt wird und der Gewinn aus der Veräußerung der Y-Aktien nicht der Einkommensteuer unterworfen wird.

Das FA beantragt, die Revision der Kläger als unzulässig zu verwerfen, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger ist unzulässig und wird deshalb gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verworfen. Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

1. Die Kläger haben die Frist zur Begründung der Revision nicht gewahrt. Dieser Mangel kann nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden und führt deshalb zur Unzulässigkeit der von den Klägern eingelegten Revision:

a) Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO muss eine Revision, die auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassen wurde, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses begründet werden. Die Begründung muss Revisionsanträge und die Angabe der Revisionsgründe enthalten (§ 120 Abs. 3 FGO) und von einer vor dem BFH postulationsfähigen Person (§ 62a Abs. 1 FGO) unterzeichnet sein. Im Streitfall ist innerhalb der genannten Frist beim BFH keine diesen Anforderungen genügende Revisionsbegründung der Kläger eingegangen. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

b) Die Kläger machen zwar geltend, dass sie die Frist zur Revisionsbegründung ohne Verschulden versäumt hätten und dass ihnen deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei (§ 56 Abs. 1 FGO). Damit können sie aber keinen Erfolg haben. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Versäumung der Frist —wie die Kläger vortragen— auf einen für sie nicht erkennbaren Fehler bei der Übermittlung der Revisionsbegründungsschrift zurückzuführen ist und ob die Kläger dies ggf. in der gebotenen Form glaubhaft gemacht haben (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Denn eine Wiedereinsetzung scheitert im Streitfall schon daran, dass die Kläger den hierfür erforderlichen Antrag nicht fristgerecht gestellt haben und dass ihnen insoweit ein Verschulden anzulasten ist.

aa) Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO muss bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen eines Monats nach Wegfall des der Fristwahrung entgegenstehenden Hindernisses gestellt werden. Geschieht dies nicht, so scheidet eine Wiedereinsetzung regelmäßig aus.

bb) Ein die Fristwahrung hindernder Umstand entfällt, wenn der zur Fristwahrung Verpflichtete oder eine von ihm bevollmächtigte Person die Fristversäumnis erkennen kann und muss (Senatsbeschlüsse vom I B 116/00, BFH/NV 2001, 481; vom I R 45/03, BFH/NV 2004, 1108). Das ist namentlich dann der Fall, wenn dem Beteiligten oder seinem Bevollmächtigten von einer amtlichen Stelle mitgeteilt wird, dass die Frist versäumt wurde (, BFH/NV 2004, 1668). Mit dem Zugang einer solchen Mitteilung beginnt mithin die in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmte Monatsfrist.

Wird eine schriftliche Mitteilung dieses Inhalts per Post übersandt, so geht sie dem Empfänger zu, sobald die Postsendung mit der Mitteilung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1668; , BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175; vom IV R 100/93, BFHE 176, 510, BStBl II 1995, 484, m.w.N.). Dafür reicht ein Einwurf in den Briefkasten des Empfängers aus, und zwar auch dann, wenn der Empfänger im Zeitpunkt des Einwurfs ortsabwesend ist (Senatsurteil vom I R 111/04, BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219, m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag mit der Zustellung des Vorsitzendenschreibens vom —und damit am — in Lauf gesetzt worden. Diese Frist haben die Kläger mit ihrem am eingegangenen Antrag ebenfalls nicht gewahrt.

cc) Die Versäumung der Antragsfrist wäre zwar unschädlich, wenn sie ihrerseits nicht auf einem den Klägern zuzurechnenden Verschulden beruhen würde und die Kläger deshalb eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist erhalten könnten. Eine solche Situation liegt jedoch im Streitfall nicht vor. Denn den Bevollmächtigten der Kläger trifft insoweit ein den Klägern zuzurechnendes Verschulden.

aaa) Bei dem Bevollmächtigten handelt es sich um einen Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe. Ein solcher muss im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit alle Maßnahmen treffen, die nach vernünftigem Ermessen geeignet sind, die Versäumnis von Fristen auszuschließen (, BFH/NV 1990, 649). Dazu muss er insbesondere sicherstellen, dass fristauslösende Schriftstücke rechtzeitig zu seiner Kenntnis gelangen (BFH-Urteil in BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175, 177, m.w.N.). Das gilt unabhängig davon, ob er seinen beruflichen Schriftverkehr unter einer Büroanschrift oder —wie im Streitfall— unter seiner privaten Anschrift führt.

bbb) Die Verpflichtung zu fristwahrendem Verhalten bewirkt zwar nicht, dass ein berufsmäßig handelnder Bevollmächtigter auf einen angemessenen Jahresurlaub verzichten muss. Doch muss er sich für die Zeit seiner Abwesenheit entweder eines Zustellungsvertreters bedienen oder durch die Einschaltung geeigneter Hilfspersonen gewährleisten, dass er zeitnah über den Eingang wichtiger Post informiert wird (, BFHE 137, 399, BStBl II 1983, 334). Letzterenfalls müssen sich sowohl die Auswahl als auch die Unterweisung solcher Hilfspersonen an denjenigen Kriterien orientieren, die zur Einschaltung von Büropersonal in die Fristwahrung entwickelt worden sind.

Dazu gehört u.a., dass die eingesetzten Hilfspersonen hinreichend darüber belehrt werden, wie mit eingehenden behördlichen oder gerichtlichen Postsendungen zu verfahren ist (Senatsurteil vom I R 39/90, BFH/NV 1992, 146). Das gilt namentlich im Hinblick auf förmlich zugestellte Sendungen, die regelmäßig eine fristauslösende Wirkung haben. Angesichts der sich hieraus ergebenden besonderen Bedeutung solcher Sendungen bedarf es regelmäßig eines ausdrücklichen Hinweises darauf, dass diese unverzüglich entweder an den Adressaten selbst oder an eine andere Person weitergeleitet werden müssen, die an Stelle des Adressaten fristwahrend tätig werden kann. Fehlt es an einem solchen Hinweis, so hat der Bevollmächtigte nicht alles in seiner Macht Stehende getan, um die Frist zu wahren; ihn trifft dann ein Verschulden i.S. des § 56 Abs. 1 FGO, das dem von ihm Vertretenen zuzurechnen ist. Die genannten Anforderungen sind einem Bevollmächtigten umso mehr abzuverlangen, als die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO a.F.) auf einen Monat ausgedehnt worden ist.

Im Streitfall haben die Kläger jedenfalls innerhalb dieser insoweit maßgeblichen Monatsfrist (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 56 FGO Tz. 21) nicht in der notwendigen substantiierten Form vorgetragen, dass ihr Bevollmächtigter den von ihm hinzugezogenen Hilfspersonen entsprechende Hinweise erteilt hat. Sie haben zwar geltend gemacht, jene Personen seien dem Bevollmächtigten als zuverlässig bekannt gewesen. Das reicht jedoch nicht aus. Da es sich offenbar nicht um fachlich ausgebildetes und mit der Fristenproblematik vertrautes Büropersonal gehandelt hat, wäre es vielmehr notwendig gewesen, entweder spezielle Belehrungen über die Behandlung eingehender beruflicher Post zu erteilen oder zumindest in kurzen Abständen ausdrückliche Rückfragen zu etwa vorhandenem Posteingang zu halten. Der gegenüber der Post erteilte Nachsendeauftrag machte ein solches Vorgehen nicht entbehrlich, da der Bevollmächtigte im Ausland weilte und förmlich zuzustellende Sendungen aus völkerrechtlichen Gründen regelmäßig nicht in ein fremdes Hoheitsgebiet nachgesandt werden. Ob dies innerhalb der Europäischen Gemeinschaften —und damit auch in Schweden, wo der Bevollmächtigte, wie sich aus seiner Antragsbegründung in der mündlichen Verhandlung ergab, seinen Urlaub verbracht hat— uneingeschränkt den Anforderungen der gemeinschaftsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten entspricht, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Denn auch dann, wenn dies zu verneinen wäre (s. aber , Internationales Steuerrecht 1999, 318), hätte der Bevollmächtigte sein Verhalten auf die insoweit jedenfalls ungewisse Rechtslage einstellen müssen. Der von den Klägern hilfsweise angeregten Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften durch den erkennenden Senat bedurfte es deswegen nicht.

Schließlich geht es im Streitfall auch nicht etwa um eine verzögerte Postzustellung, die den Klägern nicht zuzurechnen wäre (vgl. Senatsurteil vom I R 3/02, BFHE 204, 145, BStBl II 2004, 932). Die Versäumung der in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmten Frist beruht vielmehr darauf, dass der Bevollmächtigte der Kläger es versäumt hat, im Zusammenhang mit seinem Urlaub alle der Fristwahrung dienenden Maßnahmen zu treffen. Das schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch dann aus, wenn sich auf Grund des Vorbringens der Kläger in der mündlichen Verhandlung am etwas anderes ergäbe; dieses Vorbringen wäre neu und könnte nicht mehr zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags zugelassen werden (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, ebenda, m.w.N. zur einschlägigen Rechtsprechung).

2. Die Revision des FA ist zulässig und begründet. Das FG hätte die Klage, soweit sie auf eine Änderung des Steuerbescheids im Hinblick auf den Gewinn aus der Veräußerung der Y-Aktien gerichtet war, unabhängig von der materiellen Rechtslage abweisen müssen. Denn insoweit sind die Kläger durch den Bescheid nicht beschwert.

a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO darf das FG einen mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt nur dann aufheben, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger durch ihn in seinen Rechten verletzt ist. In diesem Zusammenhang sind sowohl die Rechtswidrigkeit als auch das Vorliegen einer Rechtsverletzung nur anhand des im Bescheid festgesetzten oder festgestellten Betrags zu beurteilen. Deshalb darf ein Bescheid nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil das FG die in ihm angesetzten Besteuerungsgrundlagen für unzutreffend hält (, BFH/NV 2004, 630; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Tz. 40a, m.w.N.). Diese bilden vielmehr einen nicht selbständig anfechtbaren (§ 157 Abs. 2 der AbgabenordnungAO 1977—) und ebenso nicht selbständig überprüfbaren Teil des Steuerbescheids.

b) Im Streitfall hat das FA zwar den Gewinn der Kläger aus der Veräußerung der Y-Aktien den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des im Streitfall maßgeblichen § 23 EStG 1999 zugeordnet und deshalb im angefochtenen Bescheid entsprechend höhere Besteuerungsgrundlagen angesetzt. Diese Handhabung hat sich jedoch auf die Höhe der für das Streitjahr festgesetzten Einkommensteuer nicht ausgewirkt, da das FA die von ihm berücksichtigten positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit negativen Einkünften aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet hat. Insoweit werden die Kläger mithin durch den von ihnen gerügten Ansatz des Veräußerungsgewinns nicht beschwert. Das hat das FG zutreffend erkannt.

c) Es meint jedoch, dass eine Beschwer der Kläger deshalb vorliege, weil der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Höhe des dort angesetzten Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften für einen Bescheid zur gesonderten Feststellung des verrechenbaren Verlustes aus solchen Geschäften bindend sei. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

aa) Nach § 23 Abs. 3 EStG 1999 können Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur mit im gleichen Kalenderjahr erzielten Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden (Satz 6); nicht in dieser Weise verrechnete Verluste mindern nach Maßgabe des § 10d EStG 1999 diejenigen Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften, die der Steuerpflichtige im vorangegangenen Veranlagungszeitraum erzielt hat oder in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen erzielt (Satz 7). Die in dieser Regelung enthaltene Bezugnahme auf § 10d EStG 1999 bringt nach Ansicht der Finanzverwaltung zum Ausdruck, dass die hiernach am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibenden verrechenbaren Verluste in entsprechender Anwendung des § 10d Abs. 4 EStG 1999 gesondert festzustellen sind ( BStBl I 2000, 193, Tz. 42; ebenso Carlé in Korn, EStG, § 23 Rz. 86; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 23 Rz. 97). Demgegenüber hat der IX. Senat des BFH entschieden, dass für eine solche gesonderte Feststellung keine gesetzliche Grundlage bestehe (, BFHE 212, 41). Der Streitfall bietet keine Veranlassung, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, da es unabhängig von ihrer Beantwortung an einer Beschwer der Kläger fehlt:

aaa) Der durch § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG 1999 in Bezug genommene § 10d EStG 1999 bestimmt in Abs. 4 Satz 4, dass ein Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs erlassen, aufgehoben oder geändert werden kann, wenn sich (erstens) der abziehbare Verlust ändert und (zweitens) deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist oder eine solche Maßnahme (nur) mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt. Diese Vorschrift enthält eine eigenständige Korrekturregelung (, BFH/NV 1999, 599), die inhaltlich derjenigen in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 nachgebildet ist (Kirchhof/ Mellinghoff, EStG, 6. Aufl., § 10d Rz. 39), sich aber im Detail von ihr unterscheidet. Insbesondere hängen Erlass, Änderung und Aufhebung eines Feststellungsbescheids nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 1999 nicht davon ab, dass ein anderer Bescheid erlassen, aufgehoben oder geändert worden ist; nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift kann es vielmehr ausreichen, dass der materiell-rechtlich zu berücksichtigende Verlust sich ändert, ohne dass dies zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr der Änderung führt.

Vor diesem Hintergrund ist nach der Rechtsprechung des BFH eine Klage gegen einen Einkommensteuerbescheid unzulässig, wenn in dem Bescheid die Steuer auf Null festgesetzt ist und mit dem Rechtsbehelf lediglich die Feststellung eines höheren verbleibenden Verlustabzugs erreicht werden soll (, BFH/NV 2000, 1465). Ein solches Begehren kann vielmehr verfahrensrechtlich nur in der Weise verfolgt werden, dass der Erlass bzw. die Änderung eines entsprechenden Feststellungsbescheids beantragt wird (, BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3; vom XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 819). Hiernach ändert die Möglichkeit der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nichts daran, dass die von einem Einkommensteuerbescheid ausgehende Beschwer allein an der festgesetzten Steuer zu messen ist und der Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen keine Beschwer auslösen kann. Diese Beurteilung muss im Hinblick auf die Feststellung des nach § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG 1999 verrechenbaren Verlustes, wenn man eine solche für erforderlich hält, gleichermaßen gelten (ebenso Müller, EFG 2004, 1690; a.A. , EFG 2004, 1689). In diesem Fall kann hiernach allein daraus, dass das FA in dem angefochtenen Bescheid den Gewinn aus der Veräußerung der Y-Aktien den steuerpflichtigen Einkünften des Klägers zugerechnet hat, keine Beschwer der Kläger abgeleitet werden.

bbb) Dasselbe gilt erst recht dann, wenn man —der neueren Rechtsprechung des BFH folgend— eine Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs im Bereich des § 23 EStG 1999 für unzulässig hält. Denn dann greift der Grundsatz ein, dass über die Höhe eines abziehbaren Verlustes ausschließlich im Abzugsjahr zu entscheiden ist (, BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710; vom I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463) und dass deshalb der fehlerhafte Ansatz eines Verlustes als solcher keine Beschwer auslösen kann (, BFH/NV 1989, 278). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur im Rahmen der gesonderten Feststellung von Einkünften (, BFHE 157, 427, BStBl II 1989, 792); um eine solche geht es im Streitfall nicht.

bb) Im Ergebnis bleibt es mithin dabei, dass eine Beschwer der Kläger nur durch die Höhe der festgesetzten Steuer ausgelöst werden kann. Da diese durch die Würdigung des streitigen Vorgangs als steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft nicht berührt worden ist, können die Kläger hierdurch nicht i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in ihren Rechten verletzt sein. Die insoweit allein gegen den Ansatz unselbständiger Besteuerungsgrundlagen gerichtete Klage muss in diesem Punkt schon deshalb abgewiesen werden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 63 Nr. 1
KÖSDI 2007 S. 15425 Nr. 2
DAAAC-25535